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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1977, 5. Abhandlung): Euripides' Medea: vorgetragen am 20. November 1976 — Heidelberg: Winter, 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.45466#0033
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Euripides’ Medea · Anmerkungen

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όπλίζου καρδία 1242, cf. E. Ale. 837), nicht eine entsprechende Ökonomie nach-
weisen. Es begegnet als vox media für „Gemüt, Sitz der Empfindungen und Re-
gungen“ in den Worten Jasons, des Chores und Medeas (245; 432; 590; 858; 1360).
Vor allem die letztgenannte Stelle bezeichnet die καρδία in dieser Funktion als
Lebensmark des Menschen. Nach den Worten der Amme (99) aktualisiert sich
die „Bewegung des Herzens“ als Zorn.
Man kann einwenden, daß ein Theaterpublikum derart feinen Differenzierun-
gen des Wortgebrauchs gar nicht zu folgen vermag. Das mag richtig sein, ändert
aber nichts an der Wahrscheinlichkeit, daß der Dichter seine Worte mit solcher
Sorgfalt auch ohne Rücksicht auf die Aufnahmefähigkeit des Publikums gewählt
hat.
19 Das Chorlied 824ff. steht, darin dem Chorlied 125lff. vergleichbar, in ganz unmit-
telbarer Beziehung zu dem, was Medea zuvor kundgetan hat. Ihr 764ff. ausführlich
dem Chor entwickelter Racheplan sieht vor, daß sie nach vollbrachter Tat in
Athen Asyl findet, das ihr zuvor König Aigeus (749-53) zugesagt hat. An dieses
Detail knüpft der Chor in seiner Replik auf Medeas Enthüllung an. Das erste
Strophenpaar entfaltet das Bild eines Athen, in dem die Harmonie der das Men-
schenleben gestaltenden Kräfte herausgehoben und als Geschenk eines Gottes,
insbesondere Aphrodites und der Musen, gepriesen wird. Wenn die freundlichen,
dem anderen zugewandten spontanen Impulse (έρωτες) dem Verstand (σοφία) sich
als Begleiter (πάρεδροι) zugesellen, bewirken sie mit ihm zusammen (ξύνεργοι)
die mannigfältigen Vollkommenheiten (παντοΐαι άρεταί) des menschlichen Le-
bens. Wie wird die Stadt, die sich durch solche Vorzüge auszeichnet, die Kinder-
mörderin aufnehmen, fragt der Chor in der ersten Strophe des zweiten Paares und
schließt daran die inständige Bitte, sich der Bluttat zu enthalten. Offenbar deutet
der Chor darauf, daß die „Unreinheit“ der Medea (ούχ όσίαν μετ’ άλλων) gerade
darauf zurückzuführen ist, daß bei ihr das rechte Zusammenwirken von Verstand
und Spontaneität fehlt, das den Vorzug des idealtypischen Athen im ersten Stro-
phenpaar ausmacht und auf das sich der Chor in seinem vorangegangenen Liede
bereits bezogen hatte, als er sich σωφροσύνη, nicht όργαί und νείκη als Begleiter
für seinen θυμός von Aphrodite wünschte (635ff.). Etwas prosaischer drückt Euri-
pides einen ähnlichen Gedanken im 'Archelaos’ aus (fr. 257 Nauck):
πολλούς δ’ ό θυμός ό μέγας ώλεσεν βροτών
ή τ’ άξυνεσία, δύο κακώ τοΐς χρωμένοις
Daß die zu jeder Handlung erforderliche emotionale Kraft „von selbst“ kommt
und geht, Planung und Entschluß hingegen vom Individuum zu leisten ist, findet
im großen Monolog seinen Ausdruck (1042/1048): καρδία γάρ οΐχεται, aber
χαιρέτω βουλεύματα. Ähnlich fr. 840 γνώμην δ’ έχοντα μ’ ή φύσις βιάζεται.
Die abschließende Antistrophe des zweiten Paares summiert dann die Gründe,
aus denen der Chor doch noch zu hoffen wagt.
In den ersten Versen steckt eine Korruptel, die Page sehr überzeugend geheilt
hat (856ff.): Πόθεν θράσος ή φρενός ή | χειρί τεκνοκτόνον (τέκνων σέθεν codd)
καρδία τε λήψη | δεινάν προσάγουσα τόλμαν. Der Chor fragt sich, woher denn
Medea bei ihrem für eine Frau und Mutter unerhörten Vorhaben (δεινάν τόλ-
μαν) den Mut oder die Verwegenheit (θράσος) im Wollen und Ausführen (χειρί
καρδία τε) nehmen soll. Die Strophe schließt dann mit der Versicherung, Medea
 
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