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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1977, 5. Abhandlung): Euripides' Medea: vorgetragen am 20. November 1976 — Heidelberg: Winter, 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.45466#0037
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Euripides’ Medea · Anmerkungen

35

Medea sagt zu Kreon, der gerade angedroht, sie mit Gewalt wegschaffen zu las-
sen μή δήτα τοϋτό γε . .. (zum Textproblem der zweiten Vershälfte s.u. S. 50).
Noch aufschlußreicher sind zwei Stellen aus dem Ton’.
Ion ist gerade von Kreusa über ihre trüben Erfahrungen mit Apollon unter-
richtet worden, dem der Jüngling in frommer Ehrerbietung dient. Er denkt über
das Gehörte nach (436 ff.)
νουθετητέος δέ μοι
Φοίβος· τί πάσχει; παρθένους βία γάμων
προδίδωσι; παΐδας έκτεκνούμενος λάθρα
θνήσκοντας άμελεΐ; μή σύ γ’· άλλ’ έπεί κρατείς,
άρετάς δίωκε.
Ganz deutlich verweist μή σύ γε darauf, daß von Apollon am allerwenigsten sol-
ches Verhalten erwartet werden kann - so wie der θυμός Medeas am allerwenig-
sten den Mord an den eigenen Kindern mitbewirken sollte.
An der anderen Stelle (1335) hat die Apollonpriesterin gerade Ion daran ge-
hindert, Kreusa zu erschlagen; sie weist ihn in der folgenden stichomythischen
Unterredung an, mit reinen Händen nach Athen zu ziehen. , Jeder ist rein, der
seinen Feind tötet“, ist die Antwort. Die Replik μή σύ γε betont wiederum, daß
gerade Ion am allerwenigsten solches sagen dürfe. Eine Emendation der Medea-
Steile μή σύ γ’ έργάση τάδε (1056) in μή συνεργάση τάδε in Anlehnung an
σοφία und έρωτες als die παντοίας άρετάς ξυνεργοί (844f.) dürfte wohl sprach-
lich wie inhaltlich zu weit gehen.
22 Trifft unsere Deutung zu, muß δράν κακά in 1078 auf eine den moralischen
Grundsätzen Medeas widersprechende Handlungsweise bezogen werden, während
nach dem traditionellen Verständnis der Schlußverse des Monolog κακά auch die
Bedeutung „Unheil, Übel“ haben kann.
Κακόν heißt zweifellos bei Euripides, bei anderen Autoren und speziell in der
'Medea’ wiederholt einfach „Übel, Unheil, Unglück, Schaden“ ohne moralische
Implikation (z. B. 234; 1120). Das gilt natürlich auch für das νικώμαι κακοΐς
in V. 1077: Medea fühlt sich vom Unglück überwältigt. Aber auch für den in 1078
nach unserer Deutung nötigen, nach der traditionellen jedenfalls nicht ausgeschlos-
senen, moralischen Sinn gibt es bei Euripides viele Parallelen. So spricht etwa die
Amme zu Phaidra im 'Hippolytos’ (695) δέσποιν’, έχεις μέν τάμα μέμψασθαι
κακά, womit nach den voraufgehenden Worten der Phaidra nur ihre Verfehlungen
oder moralisch verwerflichen Handlungen gemeint sein können (vgl. Barrett
z. St.). Ähnliches gilt für Hipp. 425 und 1461, Ion 1017,1.A. 527 („Laster“). Dafür,
daß κακός als Epitheton einer Person in der Sprache der Tragiker die Untüchtig-
keit oder die moralische Wertlosigkeit des Betreffenden bezeichnet, bedarf es kei-
ner Belegsammlung, und natürlich kann κακός oder κακόν beides, die moralische
und die außermoralische Komponente, enthalten. Das gilt sicher für Med. 1080,
wo vom Übergewicht des θυμός als Ursache großer - moralischer und außer-
moralischer - Übel gesprochen wird. Auf bewußte Verwendung der Doppelbe-
deutung von κακός gerade durch Euripides hat auch schon K. von Fritz (Antike
und moderne Tragödie 336f.) hingewiesen.
Wichtiger für das Verständnis der Bedeutung von κακά in 1078 ist eine andere
Beobachtung. Medea verwendet im Monolog, und zwar in einer seiner „harten“
Phasen, zur herabsetzenden Bezeichnung ihrer weichen Stimmung und der daraus
 
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