Euripides’ Medea · Anmerkungen
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entgegenstehen, zum Schweigen bringen muß (1242-47). Sie erleidet in diesem
Stadium der aufs äußerste beschleunigten Handlung ihr eigenes Tun in derselben
klaren Bewußtheit wie im Seelenkampf des großen Monologs (κάπειτα θρήνει
1249; δυστυχής δ’ έγώ γυνή 1250). Die Verdoppelung der Motive für den Mord
an den Kindern - geplante Rache an Jason führt die ausweglose Situation herbei -
steigert die Tragik des Geschehens.
26 Schon o. S. 31 war dargelegt worden, wie das Chorlied 824ff. ganz unmittelbar
auf die vorangegangene Enthüllung des Racheplans antwortet. Die Frauen be-
finden sich in einem Dialog mit Medea, in dem sie ihr raten, von diesem Vorhaben
abzustehen, und der Hoffnung Ausdruck geben, Medea werde die grauenvolle Tat
nicht übers Herz bringen. Ebenso unmittelbar, nur sehr viel erregter und verzwei-
felter, reagiert der Chor mit dem in schrillen Dochmien gehaltenen Lied 1251 ff.
auf Medeas Ankündigung, nunmehr die Kinder zu töten, weil keine andere Wahl
bleibe (1236ff.). Sonne und Erde werden beschworen, die Wahnsinnstat zu verhin-
dern, denn anders als mit dem Ausbruch einer alle Überlegung überwältigenden
Wut kann sich der Chor diesen letzten Schritt Medeas nicht erklären (1265f.).
In beiden Liedern liegt also eine direkte Bezugnahme des Chores auf vorange-
gangene Worte der Medea vor, in denen sie in jeweils anderer Weise ankündigt,
ihre Kinder umbringen zu wollen.
27 Ganz und gar von den Chorliedem 824ff. und 1251 ff. verschieden ist das schöne,
nachdenkliche Lied 1081ff., das dem großen Monolog folgt. Aus keinem seiner
Worte kann man schließen, daß der Chor Medeas Schlußworte so verstanden hat,
als habe sie schweren Herzens nunmehr den Entschluß gefaßt, die Tat zu voll-
bringen. Hierin unterscheidet sich der Tenor dieses Liedes auch von den Worten
des Chores 976 ff. Dort bricht er, ohne Medea anzureden, in Klagen über den nun-
mehr unausweichlichen Tod der Kinder aus, nachdem diese mit den verhängnis-
vollen Gaben auf den Weg zu der Braut gebracht worden sind. Man darf also über-
all da, wo der Chor Vorgänge und Worte zur Kenntnis nimmt, die das Schicksal
der Kinder betreffen, auch damit rechnen, daß er sich dazu äußert.
Das anapästische Lied beginnt (1081-89) mit der erst schüchtern, dann mit
größerem Selbstvertrauen vorgetragenen These, daß auch Frauen zur Reflexion
und zur Formulierung allgemeiner Wahrheit befähigt seien. Dann folgt der Satz,
daß der Kinderlose dem, der Kinder hervorgebracht und großgezogen habe, an
Glück voranstehe (1090-97). Der Hauptteil des Liedes besteht in der Beschrei-
bung der Mühen, Sorgen und Ungewißheiten, die auf Eltern lasten, und endet mit
der Frage, warum die Götter das alles den Menschen aufgebürdet haben
(1097-1115). Der vor dieser Schlußfrage erreichte Höhepunkt melancholischer
Aufzählung liegt in der Aussage, daß zuweilen der Tod die Kinder vor den Eltern
fortnimmt (lllOf.). Natürlich deutet das den Tod der Kinder Medeas voraus,
jedenfalls im Verständnis des Zuschauers. Aber nichts zeigt an, daß der Chor bei
solchen Worten an die bevorstehende Tat der Medea denkt. Medeas Qualen, wie
sie der Chor aus dem eben gesprochenen Monolog ermessen kann, sind indirekt
durch die Kinder verursacht. Die Mutterliebe stürzt sie in die Verzweiflung, die
ihr stolzer Selbstbehauptungswille, dem der Racheplan entsprungen ist, nicht
kennt. Ist es da so merkwürdig, wenn der Chor zu ihr von den Schmerzen und Äng-
sten spricht, die aus der Elternliebe kommen? Gerade weil der Chor überzeugt sein
muß, Medea habe sich von dem Racheplan abgewandt, liegt es für ihn nahe, in
dieser ebenso allgemeinen wie taktvoll-zurückhaltenden Weise sein Verständnis
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entgegenstehen, zum Schweigen bringen muß (1242-47). Sie erleidet in diesem
Stadium der aufs äußerste beschleunigten Handlung ihr eigenes Tun in derselben
klaren Bewußtheit wie im Seelenkampf des großen Monologs (κάπειτα θρήνει
1249; δυστυχής δ’ έγώ γυνή 1250). Die Verdoppelung der Motive für den Mord
an den Kindern - geplante Rache an Jason führt die ausweglose Situation herbei -
steigert die Tragik des Geschehens.
26 Schon o. S. 31 war dargelegt worden, wie das Chorlied 824ff. ganz unmittelbar
auf die vorangegangene Enthüllung des Racheplans antwortet. Die Frauen be-
finden sich in einem Dialog mit Medea, in dem sie ihr raten, von diesem Vorhaben
abzustehen, und der Hoffnung Ausdruck geben, Medea werde die grauenvolle Tat
nicht übers Herz bringen. Ebenso unmittelbar, nur sehr viel erregter und verzwei-
felter, reagiert der Chor mit dem in schrillen Dochmien gehaltenen Lied 1251 ff.
auf Medeas Ankündigung, nunmehr die Kinder zu töten, weil keine andere Wahl
bleibe (1236ff.). Sonne und Erde werden beschworen, die Wahnsinnstat zu verhin-
dern, denn anders als mit dem Ausbruch einer alle Überlegung überwältigenden
Wut kann sich der Chor diesen letzten Schritt Medeas nicht erklären (1265f.).
In beiden Liedern liegt also eine direkte Bezugnahme des Chores auf vorange-
gangene Worte der Medea vor, in denen sie in jeweils anderer Weise ankündigt,
ihre Kinder umbringen zu wollen.
27 Ganz und gar von den Chorliedem 824ff. und 1251 ff. verschieden ist das schöne,
nachdenkliche Lied 1081ff., das dem großen Monolog folgt. Aus keinem seiner
Worte kann man schließen, daß der Chor Medeas Schlußworte so verstanden hat,
als habe sie schweren Herzens nunmehr den Entschluß gefaßt, die Tat zu voll-
bringen. Hierin unterscheidet sich der Tenor dieses Liedes auch von den Worten
des Chores 976 ff. Dort bricht er, ohne Medea anzureden, in Klagen über den nun-
mehr unausweichlichen Tod der Kinder aus, nachdem diese mit den verhängnis-
vollen Gaben auf den Weg zu der Braut gebracht worden sind. Man darf also über-
all da, wo der Chor Vorgänge und Worte zur Kenntnis nimmt, die das Schicksal
der Kinder betreffen, auch damit rechnen, daß er sich dazu äußert.
Das anapästische Lied beginnt (1081-89) mit der erst schüchtern, dann mit
größerem Selbstvertrauen vorgetragenen These, daß auch Frauen zur Reflexion
und zur Formulierung allgemeiner Wahrheit befähigt seien. Dann folgt der Satz,
daß der Kinderlose dem, der Kinder hervorgebracht und großgezogen habe, an
Glück voranstehe (1090-97). Der Hauptteil des Liedes besteht in der Beschrei-
bung der Mühen, Sorgen und Ungewißheiten, die auf Eltern lasten, und endet mit
der Frage, warum die Götter das alles den Menschen aufgebürdet haben
(1097-1115). Der vor dieser Schlußfrage erreichte Höhepunkt melancholischer
Aufzählung liegt in der Aussage, daß zuweilen der Tod die Kinder vor den Eltern
fortnimmt (lllOf.). Natürlich deutet das den Tod der Kinder Medeas voraus,
jedenfalls im Verständnis des Zuschauers. Aber nichts zeigt an, daß der Chor bei
solchen Worten an die bevorstehende Tat der Medea denkt. Medeas Qualen, wie
sie der Chor aus dem eben gesprochenen Monolog ermessen kann, sind indirekt
durch die Kinder verursacht. Die Mutterliebe stürzt sie in die Verzweiflung, die
ihr stolzer Selbstbehauptungswille, dem der Racheplan entsprungen ist, nicht
kennt. Ist es da so merkwürdig, wenn der Chor zu ihr von den Schmerzen und Äng-
sten spricht, die aus der Elternliebe kommen? Gerade weil der Chor überzeugt sein
muß, Medea habe sich von dem Racheplan abgewandt, liegt es für ihn nahe, in
dieser ebenso allgemeinen wie taktvoll-zurückhaltenden Weise sein Verständnis