Euripides’ Medea · Anmerkungen
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Planung des Handelns dient, und derjenigen, welche die Emotionen kontrolliert
(Greek Rom. Byz. Stud. 11, 1970, 233ff.).
35 Einen Monolog Medeas unmittelbar vor der Tötung der Kinder gibt es z.B. bei
Seneca - übrigens nach der Nachricht vom Tode Kreons und der Braut, die bei
Euripides nach dem Monolog eintrifft - bei Corneille, Cherubini/Hoffmann,
Grillparzer.
36 Zum Maler Timomachos, der das Vorbild mehrerer pompeianischer Medea-
Bilder schuf, vgl. F. Lippold, R.E. 6 (1936) 1292ff. - Es lohnte überhaupt eine
Untersuchung, ob nicht zahlreiche Medea-Bilder, die man als Illustrationen zur
Tragödie des Euripides interpretiert, ohne doch den gemeinten Augenblick im
Handlungsablauf dieses Dramas genau bestimmen zu können, nicht bereits als
Zeugnisse einer Koine zu gelten haben, derzufolge jedes Medea-Drama ein Leiden-
schaftsdrama sein muß. Die Epigramme der Anthologia Palatina, in denen Medea-
Gemälde beschrieben werden, heben ausnahmslos den Widerstreit der Gefühle
hervor, der in Gesichtsausdruck und Körperhaltung der zum Mord bereits ent-
schlossenen Mutter dargestellt war (16,135; 136; 138; 140; 143; vgl. Ach. Tat.
3,8,7).
37 De coh. ir. 2, 453 F.
38 Όργή wird bei den orthodoxen Stoikern als έπιθυμία τοΰ τιμωρήσασθαι τον
δοκοΰντα ήδικηκέναι παρά τό προσήκον (SVF 3, 395 u. ö.) definiert und damit
einem der vier moralisch negativ bewerteten Grundaffekte subsumiert. Wie andere
Teile der stoischen Affektenlehre ist, unbeschadet der abweichenden Erklärung
und Bewertung des Zornes und anderer Affekte, auch diese Definition in Peri-
patos und mittlere Akademie übernommen worden (Andronic. de aff. 4; Ps. Plat.
def. 415 e).
Den θυμός haben die Stoiker ebenfalls als Affekt eingestuft und dem Grund-
affekt der έπιθυμία subsumiert, und zwar als Zorn im Anfangsstadium (όργή
έναρχομένη S.V.F. 3, 395/96 u. ö.). Dieser Definitionsversuch sanktioniert einen
außerphilosophischen Sprachgebrauch nachklassischer Zeit, nach dem θυμός
und όργή als synonym gebraucht werden können (z.B. Polyb. 3,10,5 oder Plut.
de coh. ir. pass.). Auch diese Definition ist von den Peripatetikem übernom-
men worden (Andronic. de aff. 4), während die mittelplatonische Definition (Ps.
Plat. def. 415 e) in diesem Fall Elemente der Bestimmung des nach der stoischen
Lehre übergeordneten Grundaffektes der έπιθυμία als einer άλογος όρεξις auf-
genommen hat: όρμή βίαιος άνευ λογισμού προστάξεως (νους τάξεως codd.)
ψυχής άλογίστου.
In jedem Fall verband sich für einen Euripides-Leser nachklassischer Zeit
unweigerlich die Gegenüberstellung θυμός/βουλεύματα mit dem Gegensatz zwi-
schen der rechten Leitung des Handelns durch den Verstand und der verkehrten
durch den als πονηρά κρίσις vorhandenen (Stoiker cf. S.V.F. 3, 459) oder aus der
Kontrolle der Vernunft geglittenen (Platoniker, Peripatetiker) Affekt. Galens Po-
lemik gegen Chrysipp (s. o. S. 25) statuiert ausdrücklich, daß Medea allein vom
θυμός gegen jeden λογισμός zur Tat getrieben werde und dieses in ihrem Mono-
log sage, und ähnlich äußert sich der Sophist Kallistratos in der Beschreibung
eines Medea-Bildes (Imag. 13; vgl. Luc. de domo 31). Wie oben gezeigt, war
aber schon in viel früherer Zeit die Verteilung von Gut und Schlecht auf die vom
Verstand und von der Emotion ausgelösten Handlungen unumstritten. Eben des-
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Planung des Handelns dient, und derjenigen, welche die Emotionen kontrolliert
(Greek Rom. Byz. Stud. 11, 1970, 233ff.).
35 Einen Monolog Medeas unmittelbar vor der Tötung der Kinder gibt es z.B. bei
Seneca - übrigens nach der Nachricht vom Tode Kreons und der Braut, die bei
Euripides nach dem Monolog eintrifft - bei Corneille, Cherubini/Hoffmann,
Grillparzer.
36 Zum Maler Timomachos, der das Vorbild mehrerer pompeianischer Medea-
Bilder schuf, vgl. F. Lippold, R.E. 6 (1936) 1292ff. - Es lohnte überhaupt eine
Untersuchung, ob nicht zahlreiche Medea-Bilder, die man als Illustrationen zur
Tragödie des Euripides interpretiert, ohne doch den gemeinten Augenblick im
Handlungsablauf dieses Dramas genau bestimmen zu können, nicht bereits als
Zeugnisse einer Koine zu gelten haben, derzufolge jedes Medea-Drama ein Leiden-
schaftsdrama sein muß. Die Epigramme der Anthologia Palatina, in denen Medea-
Gemälde beschrieben werden, heben ausnahmslos den Widerstreit der Gefühle
hervor, der in Gesichtsausdruck und Körperhaltung der zum Mord bereits ent-
schlossenen Mutter dargestellt war (16,135; 136; 138; 140; 143; vgl. Ach. Tat.
3,8,7).
37 De coh. ir. 2, 453 F.
38 Όργή wird bei den orthodoxen Stoikern als έπιθυμία τοΰ τιμωρήσασθαι τον
δοκοΰντα ήδικηκέναι παρά τό προσήκον (SVF 3, 395 u. ö.) definiert und damit
einem der vier moralisch negativ bewerteten Grundaffekte subsumiert. Wie andere
Teile der stoischen Affektenlehre ist, unbeschadet der abweichenden Erklärung
und Bewertung des Zornes und anderer Affekte, auch diese Definition in Peri-
patos und mittlere Akademie übernommen worden (Andronic. de aff. 4; Ps. Plat.
def. 415 e).
Den θυμός haben die Stoiker ebenfalls als Affekt eingestuft und dem Grund-
affekt der έπιθυμία subsumiert, und zwar als Zorn im Anfangsstadium (όργή
έναρχομένη S.V.F. 3, 395/96 u. ö.). Dieser Definitionsversuch sanktioniert einen
außerphilosophischen Sprachgebrauch nachklassischer Zeit, nach dem θυμός
und όργή als synonym gebraucht werden können (z.B. Polyb. 3,10,5 oder Plut.
de coh. ir. pass.). Auch diese Definition ist von den Peripatetikem übernom-
men worden (Andronic. de aff. 4), während die mittelplatonische Definition (Ps.
Plat. def. 415 e) in diesem Fall Elemente der Bestimmung des nach der stoischen
Lehre übergeordneten Grundaffektes der έπιθυμία als einer άλογος όρεξις auf-
genommen hat: όρμή βίαιος άνευ λογισμού προστάξεως (νους τάξεως codd.)
ψυχής άλογίστου.
In jedem Fall verband sich für einen Euripides-Leser nachklassischer Zeit
unweigerlich die Gegenüberstellung θυμός/βουλεύματα mit dem Gegensatz zwi-
schen der rechten Leitung des Handelns durch den Verstand und der verkehrten
durch den als πονηρά κρίσις vorhandenen (Stoiker cf. S.V.F. 3, 459) oder aus der
Kontrolle der Vernunft geglittenen (Platoniker, Peripatetiker) Affekt. Galens Po-
lemik gegen Chrysipp (s. o. S. 25) statuiert ausdrücklich, daß Medea allein vom
θυμός gegen jeden λογισμός zur Tat getrieben werde und dieses in ihrem Mono-
log sage, und ähnlich äußert sich der Sophist Kallistratos in der Beschreibung
eines Medea-Bildes (Imag. 13; vgl. Luc. de domo 31). Wie oben gezeigt, war
aber schon in viel früherer Zeit die Verteilung von Gut und Schlecht auf die vom
Verstand und von der Emotion ausgelösten Handlungen unumstritten. Eben des-