Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts
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zuschreiten, ohne daß in diesem Zusammenhang die causa religionis ei-
gens erwähnt worden wäre.
Mit der Konzeption der magistratus populäres als verfassungsmäßi-
gem Korrektiv landesfürstlicher Gewalt führt Calvin die Frage des Wi-
derstandes auf das positive Recht zurück. Allerdings war die Autorität
dieser Amtsträger nicht beliebig oder in Vereinzelung wirksam, sondern
blieb gebunden an die ständische Versammlung; nur als Körperschaft,
während ihrer Tagungen stand ihnen ein Widerstandsrecht zu34. Als
Körperschaft waren sie dann aber zur Abwehr verfassungswidriger Ak-
te des Fürsten nicht nur berechtigt, sondern in Wahrnehmung ihrer
Amtsaufgaben verpflichtet. Es lag nicht in ihrem Ermessen, ob sie aktiv
werden wollten, sie hatten vielmehr dem Gesetz zu gehorchen, das ih-
nen bei Rechtsverletzung Einschreiten vorschrieb. Über die Art des
Vorgehens und damit die Form der Ausübung des Widerstandsrechts
hat sich Calvin in der „Institutio“ nicht geäußert.
Calvins zurückhaltend formulierte Theorie des Widerstandsrechts,
das auch in der Praxis bei ihm keine schärferen Konturen gewonnen hat,
blieb sehr allgemein; eindeutig war nur die Auskunft, daß der Einzelne
kein Widerstandsrecht besaß, sondern dieses nur von der ständischen
Körperschaft als Gesamtheit in Anspruch genommen werden konnte -
das war sogar weniger, als die Wittenberger Theologen ihren Landes-
herren zugestanden hatten. Für die Lutheraner war jeder Reichsstand
als magistratus inferior zum Handeln berechtigt, allerdings mit der Be-
schränkung des Erstreckungsbereichs auf sein eigenes Territorium,
während demgegenüber bei Calvin die Gesamtheit der Stände für das
ganze Regnum handeln konnte.
In der seelsorgerlichen und politischen Beratung der französischen
Protestanten verwies Calvin seine Glaubensgenossen nur selten auf die
ständischen Institutionen des Königreichs als Instanz, die befugt war,
Abhilfe zu schaffen und den Machtmißbrauch des Fürsten zu beseitigen.
Seinem Konzept entsprechend, das „avancement du royaume de Dieu“
vor allem mit Hilfe der weltlichen Obrigkeit voranzutreiben, hat er
stattdessen versucht, unmittelbar auf den Herrscher einzuwirken, um
Änderungen zugunsten der reinen Lehre herbeizuführen35. Als der Tod
Franz’ II. 1560 die Gelegenheit zu bieten schien, daß der protestanten-
34 Vgl. die Fortsetzung des in Anm. 33 zitierten Satzes: „. . . tres ordines, quum prima-
rios conventus peragunt“.
35 Vgl. dazu Nürnberger (s. Anm. 16), 19ff.; E. W. Zeeden, Aufgaben der Staatsgewalt
im Dienste der Reformation. Untersuchungen über die Briefe Calvins an Fürsten und
Obrigkeiten. In: Saeculum 15/1964, 132ff.
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zuschreiten, ohne daß in diesem Zusammenhang die causa religionis ei-
gens erwähnt worden wäre.
Mit der Konzeption der magistratus populäres als verfassungsmäßi-
gem Korrektiv landesfürstlicher Gewalt führt Calvin die Frage des Wi-
derstandes auf das positive Recht zurück. Allerdings war die Autorität
dieser Amtsträger nicht beliebig oder in Vereinzelung wirksam, sondern
blieb gebunden an die ständische Versammlung; nur als Körperschaft,
während ihrer Tagungen stand ihnen ein Widerstandsrecht zu34. Als
Körperschaft waren sie dann aber zur Abwehr verfassungswidriger Ak-
te des Fürsten nicht nur berechtigt, sondern in Wahrnehmung ihrer
Amtsaufgaben verpflichtet. Es lag nicht in ihrem Ermessen, ob sie aktiv
werden wollten, sie hatten vielmehr dem Gesetz zu gehorchen, das ih-
nen bei Rechtsverletzung Einschreiten vorschrieb. Über die Art des
Vorgehens und damit die Form der Ausübung des Widerstandsrechts
hat sich Calvin in der „Institutio“ nicht geäußert.
Calvins zurückhaltend formulierte Theorie des Widerstandsrechts,
das auch in der Praxis bei ihm keine schärferen Konturen gewonnen hat,
blieb sehr allgemein; eindeutig war nur die Auskunft, daß der Einzelne
kein Widerstandsrecht besaß, sondern dieses nur von der ständischen
Körperschaft als Gesamtheit in Anspruch genommen werden konnte -
das war sogar weniger, als die Wittenberger Theologen ihren Landes-
herren zugestanden hatten. Für die Lutheraner war jeder Reichsstand
als magistratus inferior zum Handeln berechtigt, allerdings mit der Be-
schränkung des Erstreckungsbereichs auf sein eigenes Territorium,
während demgegenüber bei Calvin die Gesamtheit der Stände für das
ganze Regnum handeln konnte.
In der seelsorgerlichen und politischen Beratung der französischen
Protestanten verwies Calvin seine Glaubensgenossen nur selten auf die
ständischen Institutionen des Königreichs als Instanz, die befugt war,
Abhilfe zu schaffen und den Machtmißbrauch des Fürsten zu beseitigen.
Seinem Konzept entsprechend, das „avancement du royaume de Dieu“
vor allem mit Hilfe der weltlichen Obrigkeit voranzutreiben, hat er
stattdessen versucht, unmittelbar auf den Herrscher einzuwirken, um
Änderungen zugunsten der reinen Lehre herbeizuführen35. Als der Tod
Franz’ II. 1560 die Gelegenheit zu bieten schien, daß der protestanten-
34 Vgl. die Fortsetzung des in Anm. 33 zitierten Satzes: „. . . tres ordines, quum prima-
rios conventus peragunt“.
35 Vgl. dazu Nürnberger (s. Anm. 16), 19ff.; E. W. Zeeden, Aufgaben der Staatsgewalt
im Dienste der Reformation. Untersuchungen über die Briefe Calvins an Fürsten und
Obrigkeiten. In: Saeculum 15/1964, 132ff.