Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts
35
gus“ entstand 1568/69 vor dem Hintergrund der Absetzung Maria Stu-
arts, wurde aber erst 1579 publiziert66. Grundlagen seiner Argumenta-
tion waren das positive Recht, das Vernunft- und Naturrecht sowie die
historischen Autoritäten; anders als Knox hat der gebildete Humanist
Buchanan biblische Allegate nur verhältnismäßig spärlich als Belege für
seine Aussagen herangezogen. Er leitete seine Widerstandslehre aus
der „mutua . . . pactio“ zwischen rex und cives ab, in der die Grenzen
der königlichen Amtsgewalt festgelegt waren67. Die Vertragspartner
sind gemeinsam dem Recht unterworfen. Das Vertragsverhältnis erneu-
ert sich bei jedem Thronwechsel durch königlichen Eid und ständisches
Gehorsamsversprechen; durch diese Konstruktion wird die Erbmonar-
chie der Wahlmonarchie gleichgestellt. Der König erhält die Gewalt nur
treuhänderisch, „iustis de causis“ kann das Volk die übertragenen Be-
fugnisse zurückfordern68. Diese „iustae causae“ wurden von Buchanan
zwar nicht im Einzelnen definiert, stellten jedoch eine Schranke gegen-
über willkürlichen Handlungen des Volkes dar; die Herrschaftsübertra-
gung war nicht jederzeit beliebig zurückzunehmen.
Volk ist im Argumentationszusammenhang Buchanans immer mit
Ständen gleichzusetzen69. Weder der Einzelne noch der populus univer-
sus zählen politisch, im Gegenteil wird das Volk als numerische Ge-
samtheit in humanistischer Geringschätzung abwertend beurteilt: „Im-
perita multitudo, quae omnia nova miratur“70.
Die tradierte Tyrannenlehre hat Buchanan unverändert übernom-
men. Ebenso vertrat er die Berechtigung der Tötung des Tyrannen als
„hostis publicus“71 im Notfall. Der tyrannus absque titulo darf von je-
66 Angelegt als Fürstenspiegel für Jakob VI. (I.), dem das Werk gewidmet ist, erschienen
in Edinburgh 1579 (Faksimile-Druck Amsterdam-New York 1969). Über Buchanan
vgl. noch immer W. S. McKechnie, De Iure regni apud Scotos, in: George Buchanan.
Glasgow Quatercentenary Studies 1906 (Glasgow 1907), 21 Iff.
67 Vgl. De iure regni, 96: „Mutua igitur regi cum civibus est pactio“. Dabei ist das Volk
der höherwertige Teil: „Populus . . . rege praestantior. . . . Rex . . ., cum ad populi iu-
dicium vocatur, minor ad maiorem in ius vocatur“ (ebd., 87).
68 Vgl. ebd., 80: „Omnes nationes, quae regibus a se electis parent, hoc communiter sen-
tiunt, quicquid iuris alicui populus dederit, idem eum iustis de causis posse reposcere“.
69 Auf den Einwand: „Nosti illud: Belua multorum capitum. Scis, opinor, quanta sit po-
puli temeritas, quanta inconstantia?“ antwortet Buchanan: „Ego numquam existimavi
universi populi iudicio eam rem [sc. Einhaltung der Gesetze durch den König] permitti
deberi. Sed ut prope ad consuetudinem nostram ex omnibus ordinibus selecti ad re-
gem in consilium coirent. Deinde ubi apud eos jrpoßovAupa factum esset, id ad popu-
li iudicium deferretur“ (ebd., 32).
70 Ebd., 5.
71 Ebd.. 97.
35
gus“ entstand 1568/69 vor dem Hintergrund der Absetzung Maria Stu-
arts, wurde aber erst 1579 publiziert66. Grundlagen seiner Argumenta-
tion waren das positive Recht, das Vernunft- und Naturrecht sowie die
historischen Autoritäten; anders als Knox hat der gebildete Humanist
Buchanan biblische Allegate nur verhältnismäßig spärlich als Belege für
seine Aussagen herangezogen. Er leitete seine Widerstandslehre aus
der „mutua . . . pactio“ zwischen rex und cives ab, in der die Grenzen
der königlichen Amtsgewalt festgelegt waren67. Die Vertragspartner
sind gemeinsam dem Recht unterworfen. Das Vertragsverhältnis erneu-
ert sich bei jedem Thronwechsel durch königlichen Eid und ständisches
Gehorsamsversprechen; durch diese Konstruktion wird die Erbmonar-
chie der Wahlmonarchie gleichgestellt. Der König erhält die Gewalt nur
treuhänderisch, „iustis de causis“ kann das Volk die übertragenen Be-
fugnisse zurückfordern68. Diese „iustae causae“ wurden von Buchanan
zwar nicht im Einzelnen definiert, stellten jedoch eine Schranke gegen-
über willkürlichen Handlungen des Volkes dar; die Herrschaftsübertra-
gung war nicht jederzeit beliebig zurückzunehmen.
Volk ist im Argumentationszusammenhang Buchanans immer mit
Ständen gleichzusetzen69. Weder der Einzelne noch der populus univer-
sus zählen politisch, im Gegenteil wird das Volk als numerische Ge-
samtheit in humanistischer Geringschätzung abwertend beurteilt: „Im-
perita multitudo, quae omnia nova miratur“70.
Die tradierte Tyrannenlehre hat Buchanan unverändert übernom-
men. Ebenso vertrat er die Berechtigung der Tötung des Tyrannen als
„hostis publicus“71 im Notfall. Der tyrannus absque titulo darf von je-
66 Angelegt als Fürstenspiegel für Jakob VI. (I.), dem das Werk gewidmet ist, erschienen
in Edinburgh 1579 (Faksimile-Druck Amsterdam-New York 1969). Über Buchanan
vgl. noch immer W. S. McKechnie, De Iure regni apud Scotos, in: George Buchanan.
Glasgow Quatercentenary Studies 1906 (Glasgow 1907), 21 Iff.
67 Vgl. De iure regni, 96: „Mutua igitur regi cum civibus est pactio“. Dabei ist das Volk
der höherwertige Teil: „Populus . . . rege praestantior. . . . Rex . . ., cum ad populi iu-
dicium vocatur, minor ad maiorem in ius vocatur“ (ebd., 87).
68 Vgl. ebd., 80: „Omnes nationes, quae regibus a se electis parent, hoc communiter sen-
tiunt, quicquid iuris alicui populus dederit, idem eum iustis de causis posse reposcere“.
69 Auf den Einwand: „Nosti illud: Belua multorum capitum. Scis, opinor, quanta sit po-
puli temeritas, quanta inconstantia?“ antwortet Buchanan: „Ego numquam existimavi
universi populi iudicio eam rem [sc. Einhaltung der Gesetze durch den König] permitti
deberi. Sed ut prope ad consuetudinem nostram ex omnibus ordinibus selecti ad re-
gem in consilium coirent. Deinde ubi apud eos jrpoßovAupa factum esset, id ad popu-
li iudicium deferretur“ (ebd., 32).
70 Ebd., 5.
71 Ebd.. 97.