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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0021
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Der Prolog der ‘Bacchen’

19

sehen Horizontes auf Kleinasien als auch die Herkunft des Asien-Na-
mens von einer bei Homer bezeugten Landschaft in Lydien aber wur-
den vermutlich von Apollodor im Zusammenhang seiner Homer-For-
schung abschließend behandelt. Das Resultat konnte im Anschluß dar-
an recht wohl zum Stück allgemeinen Bildungswissens werden.
Wie sehr nämlich Homer, um dessen Gedichte sich in der griechi-
schen Welt jede Allgemeinbildung kristallisierte, gerade als Geograph
ernst genommen wurde, zeigen die ausgedehnten diesbezüglichen Be-
mühungen so verschiedener Autoren wie Ephoros, Eratosthenes, Kra-
tes von Mallos, Apollodoros, Demetrios von Skepsis oder Poseidonios.
Strabons meist polemische Referate ihrer Meinungen bezeugten die an-
haltende Aktualität solcher Fragen auch außerhalb der eigentlichen
Fachwissenschaft, also im Rahmen der literarischen Allgemeinbildung.
Es galt eben, die eigenen geographischen Vorstellungen inhaltlich und
sprachlich zu der im Bewußtsein der Gebildeten ganz lebendigen Welt
Homers in eine sinnvolle Beziehung zu setzen. Eratosthenes’ Warnung,
Dichtung nicht unbesehen als historische oder geographische Informa-
tionsquelle zu benutzen, fand wenig Anklang, wenn es um Homer ging
(Strab. 1,2,12; 15 u. ö.). In diesem Zusammenhang konnte sich ein
Sprachgebrauch, der mit dem Namen Asien allein Kleinasien bezeich-
nete, recht wohl einbürgern, insbesondere bei einer Popularisierung der
Ergebnisse späthellenistischer Homer-Philologie, in der niemand so wie
Apollodor für die homerische Geographie zuständig war. Unabhängig
von der Einrichtung der römischen Provinz Asia bestand also die Mög-
lichkeit, daß der Name Asiens zum Terminus für Kleinasien wurde.
Die Römer haben dort, wo sie die Vorstellungen und Gefühle der
griechischen Bildungsschicht - aus welchen Gründen auch immer - in
ihren politischen Maßnahmen berücksichtigten, sich stets als Klassizi-
sten gebärdet, die ostentativ an die in der literarischen Tradition ge-
pflegte Erinnerung an die große alte Zeit anknüpften. Die Verschär-
fung der klassizistischen Tendenzen der griechischen Bildungstradition
im Attizismus des 1. Jh. v. C. hatte bezeichnenderweise ihr Zentrum in
Rom, und ihre Vorkämpfer verwiesen auf die Übereinstimmung ihrer
Absichten mit dem Geist gleichzeitiger römischer Politik18. Auch die
auf römischer Seite von T. Flaminius im frühen 2. Jh. v. C. bis zum Kai-
ser Nero oft wiederholte Proklamation der griechischen Freiheit gehört
Hesiod und Archilochos nach seiner Meinung bereits in unserem Sinn gebrauchten
(Strab. 8,6,6 = F gr H 244 F 200).
18 Dion Hal. de vet. rhet. 2.
 
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