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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0023
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Der Prolog der 'Bacchen'

21

Aber wie der Name der ersten römischen Provinz auf asiatischem Bo-
den auch zu erklären sei - sicher ist, daß diese amtliche Bezeichnung
den allgemeinen Sprachgebrauch in der Folgezeit auf das stärkste be-
einflußte. Das zeigt sich etwa bei Cicero (z. B. Brut. 11; 51; 316f.; 325).
Der enge Gebrauch des Wortes Asien20 wird zuweilen ausdrücklich mit
dem Verweis auf die gleichnamige römische Provinz erläutert, die als f]
töicog ’Aoia (Ptolem. 5,1,8 u. ö.) dem Kontinent Asien gegenüberge-
stellt werden kann. Charitons (1,11,7) Meydkri ’Aoia, das bereits die
doppelte terminologische Bedeutung des Asiennamens voraussetzt, ist
der frühste, etwa in die Mitte des 1. Jh. v. C. weisende Beleg für diesen
Sprachgebrauch21, für den es auch bei Varro (ling. lat. 5,16) eine Paral-
lele gibt.
Strabons Mitteilung, daß erst die Neueren mit dem Wort Asien nicht
nur den Kontinent, sondern auch Anatolien bezeichnen, läßt sich dem-
nach ohne Zwang auf die Zeit seit Apollodors Kommentar zum Schiffs-
katalog und die Einrichtung der Provinz Asia beziehen. Im 5. Jh. v. C.
aber, als die „Bacchen“ entstanden, war dieser Sprachgebrauch unbe-
kannt, unbeschadet der Tatsache, daß man sich über die Herleitung des
Wortes von einer bei Homer erwähnten Landschaft in Lydien sehr bald
Gedanken machte.
Die Verse 13-19 des Bacchen-Prologes zeigen also in mehreren
Punkten eine geographische Terminologie, die erst in hellenistische,
wahrscheinlich sogar späthellenistische Zeit gehört. Man muß nun hin-
zunehmen, daß dieselben Verse ein in ihrer Zeit ganz alleinstehendes
Zeugnis für die Vorstellung sind, der Gott Dionysos habe auf einem
großen Siegeszug sich die Welt bis in die fernsten Gegenden untertan
gemacht und überall seinen Kult eingeführt.
Dionysos ist ein aus der Fremde kommender Gott, der seinen Kult
gewaltsam erzwingt, dabei das gesittete Leben und die politische Ord-
20 Ob das zuerst bei Cicero nachweisbare Schlagwort Asianismus (Asiatici oratores
Brut. 51; Asiaticum genus ebd. 325), das sich auf die Entwicklung der nachklassi-
schen griechischen Redekunst in den Städten Kleinasiens bezieht, mit der neuen geo-
graphischen Terminologie zusammenhängt, läßt sich nicht bestimmen. Eher wird man
an die schon in klassischer Zeit geläufige Unterscheidung zwischen den Griechen in
Europa und in Asien denken, etwa bei Dionysios von Halikarnass (de vet. rhet. 2).
21 Zur Datierung des Chariton-Romans vgl. A. Papanikolaou, Chariton-Studien, Göt-
tingen 1973. - Auch bei Justin, der hierin über Pompeius Trogus gewiss auf eine spät-
hellenistische Quelle zurückgeht, gibt es den Ausdruck Asia maior (15,4,1). Während
sich nun diese Bezeichnung auf griechischer Seite behauptete (Ptolem. tetrab.
2,3,64), begegnet das korrespondierende „Kleinasien“ (Asia minor) erst im Spätla-
tein (Oros. hist. 1,2). Vgl. ferner App. Mithr. 11,17,21 und Aristid. II p. 31 Keil.
 
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