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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0042
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Albrecht Dihle

Wiederaufführungen im einzelnen dokumentiert3. Die urkundliche
Überlieferung4 lehrt, daß diese kombinierte Aufführungspraxis, bei der
zweifellos jeweils vollständige - neue oder alte - Tragödien auf die
Bühne kamen, sich, wenn auch mit abnehmender Regelmäßigkeit, bis
tief in die hellenistische Zeit fortsetzte5.
Daß im Laufe des 4. Jh. v. C. die Textgestalt der Tragödien der drei
Großen sich veränderte, beweist die Überlieferung vom sogenannten
„Staatsexemplar“, das Lykurg im Rahmen seiner Theaterreform um das
Jahr 330 herstellen ließ6. Ob die Verwilderung des Textes, der diese
Maßnahme offenbar steuern sollte, mehr auf die Bühnenpraxis oder auf
die Verbreitung unkontrollierter Lesetexte7 zurückzuführen war, ist
vermutlich eine müßige Frage. Theaterexemplare und Leseexemplare
werden im 5. und 4. Jh. v. C. schwerlich scharf voneinander getrennte
Überlieferungsstränge repräsentiert haben8. Ferner hat schon Wilamo-
witz9 mit Recht darauf hingewiesen, daß das „Staatsexemplar“ sicher-
lich keine kritische Ausgabe des Werkes der drei Klassiker gewesen ist.
Eine solche herzustellen, fehlten im 4. Jh. v. C. alle methodischen Vor-
aussetzungen. Auch darf man gewiß nicht annehmen, daß die Herstel-
lung dieser Sammlung auf die weitere Textgestalt großen Einfluß aus-
üben konnte, jedenfalls nicht direkt unter den Bedingungen des 4. Jh.’s
v. C.
Daß das lykurgische Exemplar dann bei der Herstellung der kriti-
schen Gesamtausgabe in Alexandria herangezogen wurde, dürfte wohl
nicht nur eine Anekdote sein10. Die Querverbindungen innerhalb des
Geisteslebens in der ganzen griechischen Welt waren im Hellenismus
außerordentlich eng. Die Sammlung, Sichtung und kritische Edition des
3 Bezeugt ist z. B. eine Wiederaufführung des „Orestes“ für 341, der „Aulischen Iphi-
genie“ für 340.
4 H. J. Mette, Urkunden dramatischer Aufführungen in Griechenland, Berlin 1977 und
Tr. G. F. p. llff.
5 Zur Spezialisierung des Tpaywöög und des ÜJtOKpirfig sowie zu den termini technici
avaötöäcjKEiv und irapadtödoKEiv s. o. S. 29.
6 Wichtigste Quelle Ps. Plut. vit. X orat. 841 Aff.
7 Hierzu vor allem E. G. Turner, Athenian Books in the Fifth and Fourth centuries,
Oxford 1952 und R. Pfeiffer, Geschichte der Klassischen Philologie, Hamburg 1970,
47 mit weiterer Literatur.
8 Von der schriftlichen Verbreitung der Tragödien spricht ausdrücklich Aristoph. ran.
151.
9 Euripides, Herakles I, Darmstadt 21969, 132.
10 Die Geschichte von der Ausleihe des Staatsexemplars nach Alexandria und dem Ver-
fall der Kaution zuerst bei Galen comm. 2,4 in Hipp. Epid. 3 = C. M. G. 5, 10, 2, 1 p.
79. Vgl. Pfeiffer, Geschichte der Klassischen Philologie 109; 237.
 
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