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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0056
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Albrecht Dihle

großen, durch sie eingefädelten und mit ihrer Beteiligung durchgeführ-
ten Gespräch zwischen den Brüdern, das die Versöhnung bringen soll
und doch nur die Unversöhnlichkeit des Gegensatzes offenbart
(357—635). Der Schlußteil der Tragödie wird beherrscht von dem
gleichfalls vergeblichen Bemühen Jokastes, auf dem Schlachtfeld den
Zweikampf zu verhindern, was der Zuschauer z. T. aus der Bühnen-
handlung (1264—83), z. T. aus dem zweiten Botenbericht erfährt
(1427—79). Die im Tod der beiden Brüder grausam erwiesene Vergeb-
lichkeit ihres Bemühens treibt Jokaste zum Selbstmord. Die drei Toten-
bahren auf der Bühne am Ende des Stückes bezeichnen vor allem, daß
sich Jokastes Schicksal erfüllt hat.
Daß die Mutter den Zwist der Oedipus-Söhne zu beenden suchte, ist
nicht eine Erfindung des Euripides. Der jüngst veröffentlichte Papyrus
von Lille mit den Resten einer chorlyrischen Dichtung enthält eine von
der Mutter an Eteokles und Polyneikes gerichtete Versöhnungsrede
(Text bei J. P. Parsons, ZPE 26, 1977, 7ff.). Einerlei, ob es sich hierbei
um ein Fragment des Stesichoros handelt - eine Hypothese, gegen die
vieles spricht: Mit Sicherheit gehört der Text in die archaische Zeit und
ist damit älter als die ‘Phoinissen’ des Euripides. Freilich wissen wir
nicht, ob die Mutter, die hier den Söhnen gut zuredet, tatsächlich Joka-
ste heißt. Die größere Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß der Chor-
lyriker sich der Version der epischen Oidipodie anschloß, derzufolge
Oedipus nach dem Tod der Jokaste die Eurygane oder Euryganeia hei-
ratete und von dieser Eteokles und Polyneikes geboren wurden, ebenso
wie Ismene und Antigone. Pausanias hat gewiß recht (9, 5, 10f.), wenn
er diese Version als besser zu den Worten Homers (X 271ff.) passend
bezeichnet als die der Tragiker (vgl. Parsons aaO. 20). Wenn nämlich,
so Pausanias, die Odyssee berichte, die Götter hätten Oedipus’ Verbin-
dung mit seiner Mutter verborgen gehalten, so schließe das Nachkom-
men aus der Verbindung aus. Dabei ist in unserem Zusammenhang von
untergeordneter Bedeutung, ob die zweite Heirat des Oedipus vor oder
nach seiner Katastrophe zu denken ist. Das erste hatte wohl der Logo-
graph Pherekydes im Sinn, der, gewiß aus alter Tradition, von mehreren
Ehen des Oedipus und von Eurygane als Mutter der feindlichen Brüder
erzählte (Schol. Eur. Phoen. 53 — FgrH 3 F 95). Dasselbe stand in einer
vermutlich gleichfalls logographischen Quelle, welche die Euripides-
Scholien als von der Version des Epimenides abweichend zitieren (zu
Eur. Phoen. 13), derzufolge die Mutter des Oedipus den Namen Eury-
kleia trug (B 22 Colli = B 15 DK). Der vermutlich hellenistische My-
thograph Peisandros verlegte die Ehe des Oedipus mit Eurygane, der
 
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