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Albrecht Dihle
Vollends verwirrend wird das Bild, wenn man die Ortsangaben der
Teichoskopie am Anfang der Tragödie zu den bisher betrachteten Pas-
sagen in Beziehung zu setzen versucht. Zunächst einmal sehen Antigo-
ne und ihr alter Pädagoge „die ganze Ebene“ mit dem feindlichen Heer
angefüllt (106ff.), das demnach nicht erst von Teumessos her anrückt,
wie es der Bote von einem viel späteren Zeitpunkt der Handlung er-
zählt (1100). Wo aber ist das Heer zu suchen? Tydeus überschreitet ge-
rade den Dirke-Bach (131), befindet sich also mit seiner Truppe ir-
gendwo im Westen der Stadt, und unter dieser ist nur die Kadmeia zu
verstehen, denn das Dirke-Tal ist außerhalb der Mauer gedacht, auf de-
ren Festigkeit jetzt alles ankommt (114ff.). (Diese Angabe widerspricht
übrigens der des Aischylos, demzufolge Tydeus am Proitidischen Tor
den Ismenos im Nordosten der Stadt überschreiten will (Sept. 360f.).
Parthenopaios „durchquert“ (jieqö) am Grabmal des Zethos (145). Ob
mit dem Verbum nepdco hier das Überqueren eines Baches gemeint ist
und der Ausdruck damit an das E^apeißü) in 131 anknüpft, ist unsicher
(s.o. S. 66). Ebenso unsicher ist leider die Lage des Zethos-Grabmals.
Pausanias kennt ein gemeinsames Grabmal der Brüder Amphion und
Zethos in der Nähe des Proitidischen Tores, also am Übergang über den
Ismenos im Nordosten der Stadt: Wenn das Heer der Angreifer von
Teumessos her heranzieht (1100) und sich sogleich in den Kampf stürzt
(1101/2), ist es ausgeschlossen, daß man schon vorher sein Lager zur
Zeit des Mahles überfallen kann in der Hoffnung, die überraschten
Feinde würden dann auf der Flucht Schwierigkeiten mit der Überque-
rung des Dirke-Baches bekommen (730; 752)5. Es liegt also die An-
nahme nicht fern, Parthenopaios sei hier gleichsam an die Stelle des ais-
chyleischen Tydeus getreten. Jedenfalls würde diese Annahme das be-
fremdliche jieqö ohne eine adverbiale Bestimmung auf die Frage Wo-
her, Wohin oder Wohindurch verständlicher machen. In der Schlacht-
schilderung des Botenberichtes fällt Parthenopaios an einem Tor, des-
sen Name nicht genannt wird (1154), in der Aufmarsch-Schilderung des
Botenberichtes fällt ihm das Neitische Tor im Westen zu (1104)6.
Das dritte und letzte Toponym, das in der Teichoskopie begegnet, ist
das Grabmal der sieben Töchter der Niobe (159), wo sich Adrastos und
Polyneikes befinden. Ein Scholion zu Pindar (Ol. 6,23) belehrt uns dar-
über, daß es ein 'Enrct mupcu genanntes Monument in oder bei Theben
5 Außer 9,17,4 ist hier noch 10,32,11 zu nennen.
6 Vgl. o. S. 75 mit dem Hinweis, daß Aischylos den Parthenopaios an das Nordtor setzt
(526ff.).
Albrecht Dihle
Vollends verwirrend wird das Bild, wenn man die Ortsangaben der
Teichoskopie am Anfang der Tragödie zu den bisher betrachteten Pas-
sagen in Beziehung zu setzen versucht. Zunächst einmal sehen Antigo-
ne und ihr alter Pädagoge „die ganze Ebene“ mit dem feindlichen Heer
angefüllt (106ff.), das demnach nicht erst von Teumessos her anrückt,
wie es der Bote von einem viel späteren Zeitpunkt der Handlung er-
zählt (1100). Wo aber ist das Heer zu suchen? Tydeus überschreitet ge-
rade den Dirke-Bach (131), befindet sich also mit seiner Truppe ir-
gendwo im Westen der Stadt, und unter dieser ist nur die Kadmeia zu
verstehen, denn das Dirke-Tal ist außerhalb der Mauer gedacht, auf de-
ren Festigkeit jetzt alles ankommt (114ff.). (Diese Angabe widerspricht
übrigens der des Aischylos, demzufolge Tydeus am Proitidischen Tor
den Ismenos im Nordosten der Stadt überschreiten will (Sept. 360f.).
Parthenopaios „durchquert“ (jieqö) am Grabmal des Zethos (145). Ob
mit dem Verbum nepdco hier das Überqueren eines Baches gemeint ist
und der Ausdruck damit an das E^apeißü) in 131 anknüpft, ist unsicher
(s.o. S. 66). Ebenso unsicher ist leider die Lage des Zethos-Grabmals.
Pausanias kennt ein gemeinsames Grabmal der Brüder Amphion und
Zethos in der Nähe des Proitidischen Tores, also am Übergang über den
Ismenos im Nordosten der Stadt: Wenn das Heer der Angreifer von
Teumessos her heranzieht (1100) und sich sogleich in den Kampf stürzt
(1101/2), ist es ausgeschlossen, daß man schon vorher sein Lager zur
Zeit des Mahles überfallen kann in der Hoffnung, die überraschten
Feinde würden dann auf der Flucht Schwierigkeiten mit der Überque-
rung des Dirke-Baches bekommen (730; 752)5. Es liegt also die An-
nahme nicht fern, Parthenopaios sei hier gleichsam an die Stelle des ais-
chyleischen Tydeus getreten. Jedenfalls würde diese Annahme das be-
fremdliche jieqö ohne eine adverbiale Bestimmung auf die Frage Wo-
her, Wohin oder Wohindurch verständlicher machen. In der Schlacht-
schilderung des Botenberichtes fällt Parthenopaios an einem Tor, des-
sen Name nicht genannt wird (1154), in der Aufmarsch-Schilderung des
Botenberichtes fällt ihm das Neitische Tor im Westen zu (1104)6.
Das dritte und letzte Toponym, das in der Teichoskopie begegnet, ist
das Grabmal der sieben Töchter der Niobe (159), wo sich Adrastos und
Polyneikes befinden. Ein Scholion zu Pindar (Ol. 6,23) belehrt uns dar-
über, daß es ein 'Enrct mupcu genanntes Monument in oder bei Theben
5 Außer 9,17,4 ist hier noch 10,32,11 zu nennen.
6 Vgl. o. S. 75 mit dem Hinweis, daß Aischylos den Parthenopaios an das Nordtor setzt
(526ff.).