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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0099
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Der Prolog der ‘Bacchen’

97

Der Ausdruck Kotvöq EvudÄtog enthält eine Homer-Reminiszenz.
Hektor erklärt (2 309) voll verblendeter Siegeszuversicht ^uvög ’Evna-
Xtog, Kai te Kravsovra KaxEKra. Der Vers verweist nach dem Zusam-
menhang der Stelle auf die gleiche Verteilung des Risikos unter die
kriegführenden Parteien und damit auf die Unberechenbarkeit des
Kriegsglücks. Auch derjenige, der dabei war, seinen Feind zu töten und
damit zu siegen, hat schon einmal ins Gras beißen müssen. Deshalb
brauchen die Troer trotz der erdrückenden Übermacht ihrer Feinde,
die sich mit der Rückkehr Achills in den Kampf eingestellt hat, nicht
den Mut sinken zu lassen.
An der o. g. Stelle in den ‘Phoinissen’ ist der Sinn verschoben: Poly-
neikes und Eteokles teilen sich in das Schicksal, nicht in das Risiko, des
Siegers und des Besiegten, nachdem sie einander im Kampf erschlagen
haben. Nicht der unvorhersehbare Wechsel des Kriegsglückes ist Inhalt
der Aussage, sondern seine in grausiger Weise tatsächlich gleiche Ver-
teilung auf die beiden Gegner.
Wieder anders hatte Heraklit die homerische Formulierung aufge-
nommen. Er sieht im ^uvög nö/.Epoc (B 80) wohl vor allem die Notwen-
digkeit, mit der jede Erscheinung nur aus Aktion und Reaktion, also
aus Streit (spig) kommen kann, wie es in dem berühmten Fragment B
53 auf andere Weise ausgedrückt wird. Aus dieser Perspektive weist er
Homers Wunsch zurück, es möge doch der Streit von der Erde ver-
schwinden (2 107) und betont demgegenüber, daß alles dem Wirken
einander entgegengesetzter Kräfte Dasein und Ordnung verdanke (A
22). Gerade aus dem letztgenannten, bei Aristoteles (E. E. 1235 a 25)
erhaltenen Fragment geht hervor, daß Heraklit den Ausdruck ^uvög
Ttö/.spog in ganz anderem Sinn verwenden mußte, als ihn die Formel
vög Evudkiog bei Homer gehabt hatte. Die Verwendung des homeri-
schen Ausdrucks in den ‘Phoinissen’, so weit sie von Homer wegführt,
hat doch gewiß mit Heraklit nichts zu tun.
Unter sprachlichen Gesichtspunkten ist der Vers 1637 merkwürdig.
Kreon befiehlt Antigone, ins Haus zu gehen. Kai TtapOEVEVou xijv ioü-
oav fipEpav / |ievoüo’, sv f] os Xekxqov Aipovog [ievsl. Was heißt xijv
ioüoav f]p,EQav? Toüaav beruht auf einer byzantinischen Korrektur in
einer einzigen Handschrift. Sonst ist Etoioüoav und En:ioüoav überlie-
fert, und die Scholien paraphrasieren mit xfjv Egfjg f||iEQav (vgl. Fraen-
kel aaO. 104). ’loüoav könnte nur richtig sein, wenn die Hochzeit noch
an demselben Tag stattfinden sollte. Von der Sache her ist dieses ganz
unwahrscheinlich: Der Tag ist zu diesem Zeitpunkt schon zum größten
Teil verstrichen, und der Morgen die wichtigste Tageszeit für das Hoch-
 
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