Der Prolog der ‘Bacchen’
101
steht Strepsiades als „Münze“ und fragt, ob er etwa beim Eisengeld der
Byzantiner schwören solle.
Es gibt also, wie dieser Witz zeigt, durchaus den Schwur bei einem
wertvollen oder wichtigen Gegenstand anstelle des bis in die Spätzeit
ungleich häufigeren Schwures bei den Göttern, und zwar schon bei Ho-
mer. Ein König kann bei seinem Szepter schwören, das er in Händen
hält und das seine Herrschaft bezeichnet (A 233; K 321), und der als
Bettler verkleidete Odysseus schwört in der Unterhaltung mit Penelope
bei Zeus und „beim Herd des trefflichen Odysseus“, an dem er Zuflucht
gefunden hat (t 304). Tisch und Salz scheinen bei Archilochos (fr. 173
West) Schwurgegenstand für das Versprechen der Aufnahme in Familie
oder Hausgemeinschaft gewesen zu sein. Aischylos (Sept. 529) läßt den
Parthenopaios schwören, Theben zu erobern, und zwar bei seiner Lan-
ze, die ihm mehr wert ist als ein Gott oder seine Augen. Dieses Motiv
hat Apollonios von Rhodos aufgegriffen (1,466). Idas schwört bei sei-
nem Speer (igtco vvv ööqu Ooüqov), der ihm nützlicher sei als Zeus.
Die Stellen zeigen, daß der Schwur der Antigone in den ‘Phoinissen’
nur Sinn hat, wenn das Schwert dabei gezeigt werden kann und sie es
womöglich in der Hand hält. Aber woher nimmt sie es so schnell? Anti-
gone ist 1476 zusammen mit den Trägern der drei Leichen aufgetreten,
singt dann die große Monodie, in der sie den Vater aus dem Palast her-
ausruft, um sich mit ihm in der Klage zu vereinen (1485ff.; 1539ff.).
Kreon befindet sich während dieser ganzen Zeit auf der Bühne, ist er
doch Empfänger des Botenberichtes (1355ff.) der mit der Ankunft des
Trauerzuges und der Antigone endet (1475ff.). Er ergreift 1586 das
Wort, und aus seinen Ankündigungen und Befehlen ergibt sich das sti-
chomythische Streitgespräch mit Antigone (1639ff.), in dessen Verlauf
der Schwur gehört (1677). Nirgendwo findet sich in diesem ganzen
Auftritt eine Gelegenheit, bei der Antigone sich in den Besitz eines
Schwertes setzen könnte. Daß sie es für den Schwur einem der Männer
des Gefolges entreißt, die 1660 von Kreon angeredet werden und sich
demnach auf der Bühne befinden, ist ganz unwahrscheinlich. Kreon
hätte auf diesen ungewöhnlichen Gewaltakt einer Frau anders reagiert
als mit der unbeirrten Fortsetzung seines Gesprächs mit Antigone
(1678): t[ ö’ EKnpoOvpf] tcüvö’ dtJW]M.dx0ai ydtpcDv; vgl. Fraenkel aaO.
112).
Man kann die Schwertszene auch nicht dadurch verständlicher ma-
chen, daß man, wie Pearson die Stelle erklärt, Antigone schon 1675 das
Schwert von der Bahre des Bruders nehmen und zur Bekräftigung der
Tötungsabsicht mit der Schwurformel präsentieren läßt. Die Unwahr-
101
steht Strepsiades als „Münze“ und fragt, ob er etwa beim Eisengeld der
Byzantiner schwören solle.
Es gibt also, wie dieser Witz zeigt, durchaus den Schwur bei einem
wertvollen oder wichtigen Gegenstand anstelle des bis in die Spätzeit
ungleich häufigeren Schwures bei den Göttern, und zwar schon bei Ho-
mer. Ein König kann bei seinem Szepter schwören, das er in Händen
hält und das seine Herrschaft bezeichnet (A 233; K 321), und der als
Bettler verkleidete Odysseus schwört in der Unterhaltung mit Penelope
bei Zeus und „beim Herd des trefflichen Odysseus“, an dem er Zuflucht
gefunden hat (t 304). Tisch und Salz scheinen bei Archilochos (fr. 173
West) Schwurgegenstand für das Versprechen der Aufnahme in Familie
oder Hausgemeinschaft gewesen zu sein. Aischylos (Sept. 529) läßt den
Parthenopaios schwören, Theben zu erobern, und zwar bei seiner Lan-
ze, die ihm mehr wert ist als ein Gott oder seine Augen. Dieses Motiv
hat Apollonios von Rhodos aufgegriffen (1,466). Idas schwört bei sei-
nem Speer (igtco vvv ööqu Ooüqov), der ihm nützlicher sei als Zeus.
Die Stellen zeigen, daß der Schwur der Antigone in den ‘Phoinissen’
nur Sinn hat, wenn das Schwert dabei gezeigt werden kann und sie es
womöglich in der Hand hält. Aber woher nimmt sie es so schnell? Anti-
gone ist 1476 zusammen mit den Trägern der drei Leichen aufgetreten,
singt dann die große Monodie, in der sie den Vater aus dem Palast her-
ausruft, um sich mit ihm in der Klage zu vereinen (1485ff.; 1539ff.).
Kreon befindet sich während dieser ganzen Zeit auf der Bühne, ist er
doch Empfänger des Botenberichtes (1355ff.) der mit der Ankunft des
Trauerzuges und der Antigone endet (1475ff.). Er ergreift 1586 das
Wort, und aus seinen Ankündigungen und Befehlen ergibt sich das sti-
chomythische Streitgespräch mit Antigone (1639ff.), in dessen Verlauf
der Schwur gehört (1677). Nirgendwo findet sich in diesem ganzen
Auftritt eine Gelegenheit, bei der Antigone sich in den Besitz eines
Schwertes setzen könnte. Daß sie es für den Schwur einem der Männer
des Gefolges entreißt, die 1660 von Kreon angeredet werden und sich
demnach auf der Bühne befinden, ist ganz unwahrscheinlich. Kreon
hätte auf diesen ungewöhnlichen Gewaltakt einer Frau anders reagiert
als mit der unbeirrten Fortsetzung seines Gesprächs mit Antigone
(1678): t[ ö’ EKnpoOvpf] tcüvö’ dtJW]M.dx0ai ydtpcDv; vgl. Fraenkel aaO.
112).
Man kann die Schwertszene auch nicht dadurch verständlicher ma-
chen, daß man, wie Pearson die Stelle erklärt, Antigone schon 1675 das
Schwert von der Bahre des Bruders nehmen und zur Bekräftigung der
Tötungsabsicht mit der Schwurformel präsentieren läßt. Die Unwahr-