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Simon, Erika; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 5. Abhandlung): Das Satyrspiel Sphinx des Aischylos: vorgelegt am 11. Juli 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47798#0012
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Erika Simon

sehen mehr als Ödipus, den Sieger über die Sphinx (772ff.)? Um so tie-
fer stürzte er; denn nachdem er seine unselige Ehe erkannt hatte, voll-
brachte er rasenden Herzens ein doppeltes Übel. Er blendete sich
selbst und verfluchte „im Zorn über die äp/aia (?) rpotpa“ die eigenen
Söhne (778 ff.)11.
Der hier griechisch wiedergegebene Begriff war dem Kenner der
Thebais klar. Eteokles und Polyneikes hatten ihrem Vater Ödipus
nicht, wie es Sitte war, das Schulterstück eines Opfertieres gesandt, son-
dern den Hüftknochen12. Da dieser sonst den Göttern verbrannt zu
werden pflegte, war Ödipus über diese rpoipa erzürnt. Die Söhne be-
handelten ihn so, als gehöre er nicht mehr zu den auf Erden Lebenden.
Das gleiche ging aus einer weiteren in der Thebais berichteten Hand-
lung hervor. Polyneikes brachte dem alten, blinden Vater einen golde-
nen Becher mit Wein auf dem silbernen Tisch des Kadmos13. Es war
das Gerät, das dem Gründer der Dynastie, Kadmos, im Heroenkult
vorgesetzt wurde. Athenaios (11,465 e) schreibt, die Söhne hätten es
dem Verbot des Vaters zum Trotz getan, aber das scheint seine eigene
Interpretation zu sein. Die Blasphemie, die den Zorn des Ödipus
entfachte, lag auch hier darin, daß die Söhne wünschten, ihr Vater sei
nicht mehr in dieser Welt. Sie konnten also nicht schnell genug an die
Macht kommen, deshalb verfluchte sie Ödipus, daß sie sich wechsel-
seitig töten sollten. Die Erfüllung dieses Fluches zeigen die Sieben
gegen Theben.
Der Chor in den Sieben nennt die Selbstblendung des Ödipus nach
der Aufdeckung des Inzestes und die Verfluchung der Söhne als „dop-
11 äp(x)aia<; ist Konjektur von Wilamowitz, rpocpä«; jedoch überliefert; Robert 264
schlug statt dessen rpuipäc; (Luxus) vor, doch sind ihm die neueren Ausgaben
zu Recht nicht gefolgt. Diskussion der Quellen zu den Flüchen des Ödipus: Höfer
731ff.; Robert 169ff.; Daly 780f.
12 Schol. Soph. Oed. Col. 1375; Homeri opera V (Allen) 113 F III.
13 Athen 11, 465 F; Homeri opera V (Allen) 113 F II. Das Vorsetzen eines beson-
deren Tisches im Heroenkult wird durch die sogenannten Totenmahlreliefs reich
illustriert; vgl. Rh. Tönges-Stringaris, Das griechische Totenmahl, AM 80, 1965,
Iff. - Diese naheliegende Erklärung für den Zorn des Ödipus habe ich in der
mir zugänglichen Literatur allerdings nicht gefunden; vielmehr hätten die Klein-
ode nach Höfer 732 den Ödipus an den erschlagenen Laios erinnert. Der silberne
Tisch war jedoch nicht nur der des Laios, sondern auch des Labdakos und vor
allem des Kadmos; er diente m.E. dem Heroenkult für verstorbene Mitglieder
des thebanischen Königshauses. Machtgier war nach allem, was wir aus dem
Mythos wissen, ein hervorstechender Zug der Ödipussöhne; vgl. etwa den Liller
Stesichoros (oben Anm. 10) oder Euripides, Phoen. 71ff.
 
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