12
Erika Simon
Tischszene kristallisiert haben, die in die Verfluchung der Söhne auf
offener Bühne mündete16. Der entsprechende Passus aus der Thebais,
der dem Dichter als Vorlage diente, ist uns zum Teil erhalten17:
Aber der göttliche Heros mit blondem Haar Polyneikes
Setzte zuerst dem Ödipus vor den silbernen, schönen
Speisetisch des seligen Kadmos. Aber darauf dann
Füllt er den schönen goldenen Becher mit lieblichem Weine.
Aber als der gewahrte, daß vor ihm des eigenen Vaters
Ehrengeschenke standen, befiel ihn mächtiger Unmut.
Seinen beiden Söhnen sprach er da schreckliche Flüche
Flehend aus und verfehlte nicht die Rache der Götter:
Daß sie nicht ihr väterlich Erbe in trauter Gemeinschaft
Teilen sollten, sondern daß beiden Kriege und Schlachten ...
Der silberne Tisch des Vorvaters Kadmos würde nach allem, was wir
von den Inszenierungen des Aischylos wissen, als Requisit auf seine
Bühne passen18. Wir können uns die Gestalt des blinden Ödipus dabei
ähnlich vorstellen wie die des blinden Phineus am Speisetisch auf
einem frühlukanischen Volutenkrater in Ruvo (Taf. 3)19. Dieses
Vasenbild wurde überzeugend mit dem Phineus des Aischylos in Ver-
bindung gebracht, einer Tragödie, die zur gleichen Tetralogie wie die
Perser gehört hatte. Aischylos hatte damit im Jahre 472 v. Chr. gesiegt,
und das war wahrscheinlich sein letzter Sieg vor der thebanischen
Tetralogie von 467 gewesen20. Es ist verständlich, daß der Dichter und
Regisseur darauf zurückgriff. Weitere Selbstzitate werden uns im Satyr-
spiel Sphinx begegnen.
Der Volutenkrater des Chicago-Malers
Mit dem ersten Teil der Ör/zp^-Tragödie des Aischylos läßt sich m.E.
die Szene auf der einen Seite eines frühklassischen Volutenkraters in
17 Oben Anm. 13. Übersetzung von R. Hampe.
18 Zur Bedeutung von Requisiten in der aischyleischen Tragödie: K. Reinhardt,
Aischylos als Regisseur und Theologe (1949) 96f. llOf. 137f.
19 Trendall/Webster III. 1,26; Kossatz-Deißmann 121ff. K 43 Taf. 25,2.
20 In die Zwischenzeit fällt die erste sizilische Reise des Dichters mit der Wieder-
aufführung der Perser in Syrakus und dem Festspiel Aitnaiav, dazu Kossatz-
Deißmann 33 ff.
Erika Simon
Tischszene kristallisiert haben, die in die Verfluchung der Söhne auf
offener Bühne mündete16. Der entsprechende Passus aus der Thebais,
der dem Dichter als Vorlage diente, ist uns zum Teil erhalten17:
Aber der göttliche Heros mit blondem Haar Polyneikes
Setzte zuerst dem Ödipus vor den silbernen, schönen
Speisetisch des seligen Kadmos. Aber darauf dann
Füllt er den schönen goldenen Becher mit lieblichem Weine.
Aber als der gewahrte, daß vor ihm des eigenen Vaters
Ehrengeschenke standen, befiel ihn mächtiger Unmut.
Seinen beiden Söhnen sprach er da schreckliche Flüche
Flehend aus und verfehlte nicht die Rache der Götter:
Daß sie nicht ihr väterlich Erbe in trauter Gemeinschaft
Teilen sollten, sondern daß beiden Kriege und Schlachten ...
Der silberne Tisch des Vorvaters Kadmos würde nach allem, was wir
von den Inszenierungen des Aischylos wissen, als Requisit auf seine
Bühne passen18. Wir können uns die Gestalt des blinden Ödipus dabei
ähnlich vorstellen wie die des blinden Phineus am Speisetisch auf
einem frühlukanischen Volutenkrater in Ruvo (Taf. 3)19. Dieses
Vasenbild wurde überzeugend mit dem Phineus des Aischylos in Ver-
bindung gebracht, einer Tragödie, die zur gleichen Tetralogie wie die
Perser gehört hatte. Aischylos hatte damit im Jahre 472 v. Chr. gesiegt,
und das war wahrscheinlich sein letzter Sieg vor der thebanischen
Tetralogie von 467 gewesen20. Es ist verständlich, daß der Dichter und
Regisseur darauf zurückgriff. Weitere Selbstzitate werden uns im Satyr-
spiel Sphinx begegnen.
Der Volutenkrater des Chicago-Malers
Mit dem ersten Teil der Ör/zp^-Tragödie des Aischylos läßt sich m.E.
die Szene auf der einen Seite eines frühklassischen Volutenkraters in
17 Oben Anm. 13. Übersetzung von R. Hampe.
18 Zur Bedeutung von Requisiten in der aischyleischen Tragödie: K. Reinhardt,
Aischylos als Regisseur und Theologe (1949) 96f. llOf. 137f.
19 Trendall/Webster III. 1,26; Kossatz-Deißmann 121ff. K 43 Taf. 25,2.
20 In die Zwischenzeit fällt die erste sizilische Reise des Dichters mit der Wieder-
aufführung der Perser in Syrakus und dem Festspiel Aitnaiav, dazu Kossatz-
Deißmann 33 ff.