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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1982, 1. Abhandlung): Achilleus in Jerusalem: eine spätantike Messingkanne mit Achilleus-Darstellungen aus Jerusalem ; vorgelegt am 28. November 1981 — Heidelberg: Winter, 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.47804#0047
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Achilleus in Jerusalem

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Daß sich der engere Hals einer Kanne besonders für die Gegen-
überstellung zweier Personen eignet, die dann durch ein „Postament“
getrennt werden, ergibt sich auch aus den Darstellungen von
Odysseus und Diomedes auf den beiden Silberkannen von Ber-
thouville73 (s. A. 26. 27.43), die durch einen Altar geschieden sind.
Freilich enthält dieses unmittelbar von hellenistischen Vorbildern
abhängige Kunstwerk aus der frühen Kaiserzeit noch sehr viel mehr
Bewegung als unsere etwas steife Szene und bildet auf dem schma-
leren, runden, gegenüber dem Körper deutlich abgesetzten Hals
der beiden Kunstwerke, jeweils nur eine Personengruppe, nicht,
wie auf unserer ovalen Kanne, deren zwei ab. Diese ungewöhnliche
Form unserer Kanne (s. u. S. 52ff.) begünstigt auf Hals und Körper
die Darstellung von insgesamt vier selbständigen Szenen.
Es erscheint uns daher nach Abwägung aller Möglichkeiten als
die plausibelste Hypothese, daß der Künstler, bzw. wahrschein-
licher schon seine Vorlage, zwischen der Tötung Hektors (Seite A
unten) und der Lösung (Seite B unten) gewissermaßen als Zwi-
schenstück eine Szene des Helden mit Briseis eingeschoben hat,
wobei das Motiv des gemeinsamen Leierspiels vielleicht aus der in
besonderer Weise zur „Paideia“ des Helden gehörenden Darstel-
lung des Achilleus74 mit Deidameia und den Töchtern des Lyko-
medes auf Skyros übernommen wurde. Eine andere, hypothetische
Möglichkeit wäre, daß dieses Motiv in den Nereiden oder den
Phrygern des Aischylos erschien. Zugleich darf man annehmen,
daß es sich dabei um einen verbreiteten szenischen Zug handelt.
Darauf weisen auch die Darstellung der Secchia Doria, das Achil-
leusmosaik in Antiochien und der Silberteller von Kopciki hin. Der
Künstler - oder richtiger der Schöpfer der Vorlage - hätte auf diese
Weise Briseis als beliebte Nebenfigur aus der Darstellung der
Lösung herausgenommen und ihr eine eigene, erotisch ange-
hauchte Zwischenszene mit dem Helden gewidmet.

73 S. o. Anm. 30; K Lehmann-Hartleben, op. cit. T. XIII; K. Weitzmann, The
Survival of mythological Representations . . ., Dumbarton Oaks Papers 14 (1960)
48 und fig. 4. Auf der einen Kanne wird die Dolonie, auf der anderen der Raub
des Palladiums dargestellt.
74 S. dazu die spätantiken Achilleuszyklen, insbesondere die Silberschale von
Kaiseraugst: K. Weitzmann, op. cit. (Anm. 34), 231 ff. Nr. 208; dazu M. A. Mana-
corda, op. cit. (Anm. 52) 20 ff.
 
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