Sir Ronald Syme, 'Die römische Revolution’ und die deutsche Althistorie 19
kritischen Bemerkung von Ed. Meyer 'wohl das bizarrste Produkt
deutscher Gelehrsamkeit: die Auflösung einer aufs tiefste erregten
Epoche politischen Ringens, wo alles ineinander greift, in eine Unzahl
von Biographien’64. Unter Münzers Einfluß legte Syme den Akzent
auf die Geschichte von Faktionen und 'Parteien’ in der Geschichte
der Späten Republik, und er übertrug diese Kriterien auch auf das
kaiserliche Rom, indem er z.B. auch von der 'Partei des Tiberius’
oder von einer 'spanischen und narbonensischen Faktion’ am Ende
des 1. Jahrhunderts n. Chr. sprach65. Nichtsdestoweniger war 'Die
römische Revolution’ etwas ganz anderes als Münzers Werk66, vor
allem dadurch, daß die Geschichte der Einzelpersonen, Familien und
Allianzen, die in Münzers Buch oft wie ein Selbstzweck wirkt, in
der 'Römischen Revolution’ in eine faszinierende politische Ge-
schichte allgemeinen Charakters verwandelt wurde67.
Fünftens, das Bild der Hauptakteure. In der deutschen Geschichts-
schreibung hat es wohl immer eine gewisse Neigung zur Bewunde-
rung großer historischer Persönlichkeiten gegeben. Doch gerade in
den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts begann die Glorifizierung
von Einzelnen in den faschistischen Ländern krankhafte Ausmaße
zu erhalten. Die politischen Hintergründe des Bimilleniums der Ge-
burt von Augustus im Jahre 1937 in Italien - auf die Syme in der
'Römischen Revolution’ heftig reagierte - sind hinreichend bekannt68.
Zugleich nahmen jedoch die Rezensenten der 'Römischen Revolution’
vom damaligen Bild des Augustus in Deutschland kaum Notiz. Was
dürfte der Verfasser der 'Römischen Revolution’ während der Abfas-
sung seines Buches in den Jahren 1937-193869 gedacht haben, als er
64 W. Drumann - P. Groebe, Geschichte Roms in seinem Übergange von der republi-
kanischen zur monarchischen Verfassung oder Pompeius, Caesar, Cicero und ihre
Zeitgenossen nach Geschlechtern und mit genealogischen Tabellen I-VI, 2. AufL,
Berlin 1899/1929 (Nachdruck Hildesheim 1964); dazu Ed. Meyer, Caesars Mon-
archie VI.
65 The Roman Revolution 436 und 501.
66 Vgl. dazu F. Millar, a.a.O. (oben Anm. 2), 146f.
67 Vgl. T. D. Barnes, a.a.O. (oben Anm. 16), 465; zu Symes prosopographischer
Methode ausführlich G. Alföldy, a.a.O. (oben Anm. 10), 168 ff.
68 Siehe bes. A. Momigliano, Introduzione a Ronald Syme, The Roman Revolution
(oben Anm. 18) IXf. = Terzo contributo 729 f.; F. Millar, a.a.O. (oben Anm. 2), 146.
69 A. Momigliano, Introduzione a Ronald Syme, The Roman Revolution (oben
Anm. 18) X = Terzo contributo 730. Das Buch entstand aufgrund von Vorlesungen,
die Syme im Sommer des Jahres 1937 in Oxford gehalten hatte: The Roman
Revolution VIII.
kritischen Bemerkung von Ed. Meyer 'wohl das bizarrste Produkt
deutscher Gelehrsamkeit: die Auflösung einer aufs tiefste erregten
Epoche politischen Ringens, wo alles ineinander greift, in eine Unzahl
von Biographien’64. Unter Münzers Einfluß legte Syme den Akzent
auf die Geschichte von Faktionen und 'Parteien’ in der Geschichte
der Späten Republik, und er übertrug diese Kriterien auch auf das
kaiserliche Rom, indem er z.B. auch von der 'Partei des Tiberius’
oder von einer 'spanischen und narbonensischen Faktion’ am Ende
des 1. Jahrhunderts n. Chr. sprach65. Nichtsdestoweniger war 'Die
römische Revolution’ etwas ganz anderes als Münzers Werk66, vor
allem dadurch, daß die Geschichte der Einzelpersonen, Familien und
Allianzen, die in Münzers Buch oft wie ein Selbstzweck wirkt, in
der 'Römischen Revolution’ in eine faszinierende politische Ge-
schichte allgemeinen Charakters verwandelt wurde67.
Fünftens, das Bild der Hauptakteure. In der deutschen Geschichts-
schreibung hat es wohl immer eine gewisse Neigung zur Bewunde-
rung großer historischer Persönlichkeiten gegeben. Doch gerade in
den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts begann die Glorifizierung
von Einzelnen in den faschistischen Ländern krankhafte Ausmaße
zu erhalten. Die politischen Hintergründe des Bimilleniums der Ge-
burt von Augustus im Jahre 1937 in Italien - auf die Syme in der
'Römischen Revolution’ heftig reagierte - sind hinreichend bekannt68.
Zugleich nahmen jedoch die Rezensenten der 'Römischen Revolution’
vom damaligen Bild des Augustus in Deutschland kaum Notiz. Was
dürfte der Verfasser der 'Römischen Revolution’ während der Abfas-
sung seines Buches in den Jahren 1937-193869 gedacht haben, als er
64 W. Drumann - P. Groebe, Geschichte Roms in seinem Übergange von der republi-
kanischen zur monarchischen Verfassung oder Pompeius, Caesar, Cicero und ihre
Zeitgenossen nach Geschlechtern und mit genealogischen Tabellen I-VI, 2. AufL,
Berlin 1899/1929 (Nachdruck Hildesheim 1964); dazu Ed. Meyer, Caesars Mon-
archie VI.
65 The Roman Revolution 436 und 501.
66 Vgl. dazu F. Millar, a.a.O. (oben Anm. 2), 146f.
67 Vgl. T. D. Barnes, a.a.O. (oben Anm. 16), 465; zu Symes prosopographischer
Methode ausführlich G. Alföldy, a.a.O. (oben Anm. 10), 168 ff.
68 Siehe bes. A. Momigliano, Introduzione a Ronald Syme, The Roman Revolution
(oben Anm. 18) IXf. = Terzo contributo 729 f.; F. Millar, a.a.O. (oben Anm. 2), 146.
69 A. Momigliano, Introduzione a Ronald Syme, The Roman Revolution (oben
Anm. 18) X = Terzo contributo 730. Das Buch entstand aufgrund von Vorlesungen,
die Syme im Sommer des Jahres 1937 in Oxford gehalten hatte: The Roman
Revolution VIII.