Sir Ronald Syme, 'Die römische Revolution’ und die deutsche Althistorie 37
römische Aristokratie in der Geschichte der Republik, wie sie von
Niebuhr beschrieben wurde, eine große Rolle, und Mommsen war
an jener Gruppe von Menschen, die Syme 'goveming dass’ nennt,
nicht weniger interessiert. Er sah in Augustus sogar, Syme nicht
unähnlich, einen Staatsmann, dessen historische Rolle anhand seiner
Beziehung zur Führungsschicht zu verstehen ist, einen Staatsmann,
der es nötig hatte, 'eine Ergänzung zu seiner Person in anderen
Männern zu suchen’. Diese Äußerung, die von einem Hörer der Vor-
lesungen Mommsens über die Geschichte des römischen Kaiser-
reiches notiert wurde150, weist nicht auf die gleiche Auffassung wie
Symes berühmter Satz über das 'Syndikat’ hinter Augustus hin, doch
bringt sie eine ähnliche Ansicht über die Bedeutung der Aristokratie
auch unter den Kaisern zum Ausdruck.
Fünftens, die Behandlung der führenden Persönlichkeiten. Es gibt
verblüffende Parallelen. Caesar als Mommsens Heros ist zweifellos
verschieden von der Figur des Diktators bei Syme; doch hat der
demokratische Politiker der 'Römischen Geschichte’ etwas gemein-
sames mit dem Staatsmann der 'Römischen Revolution’, der sich über
Parteiinteressen erhob und ein nationales Programm entwarf; und
obwohl Syme Caesar nicht wie Mommsen bewunderte, sah er in ihm
nicht zufällig eine viel sympathischere Figur als in Pompeius, Augustus
und den anderen. Auch die ambivalente Gestalt des Antonius in der
'Römischen Revolution’ steht nicht in Widerspruch zu Mommsens
Urteil über diesen Mann, der 'mehr als ein bloßer Haudegen, mit
Lust und Talent zum Bauen und Schaffen’ war, 'aber ohne Cäsars
Ehrgeiz, sein eigener größter Feind’151. Was Augustus betrifft, war
Syme bei der Darstellung des Ersten Princeps in einer so ungün-
stigen Form unter den neuzeitlichen Historikern von Ed. Gibbon
beeinflußt - der über diesen 'Tyrannen’ schrieb, daß 'a cool head,
an unfeeling heart, and a cowardly disposition, prompted him at the
age of nineteen to assume the mask of hypocrisy, which he never
afterward laid aside’152. Einer ähnlichen Auffassung begegnen wir aber
auch bei Niebuhr, der bemerkt, daß Augustus 'ein ungemein schöner
Mann’ war, und hinzufugt: ‘er ist so schön daß ich deßhalb mir bei-
150 V. Ehrenberg, Theodor Mommsens Kolleg über römische Kaisergeschichte, in:
ders., Polis und Imperium. Beiträge zur Alten Geschichte, Zürich-Stuttgart 1965,
613 ff., dort 620.
151 Zitiert bei V. Ehrenberg, a.a.O. (oben Anm. 150), 619.
152 Ed. Gibbon, The History of the Decline and Fall of the Roman Empire, 5. Aufl.,
I, London 1909, 70.
römische Aristokratie in der Geschichte der Republik, wie sie von
Niebuhr beschrieben wurde, eine große Rolle, und Mommsen war
an jener Gruppe von Menschen, die Syme 'goveming dass’ nennt,
nicht weniger interessiert. Er sah in Augustus sogar, Syme nicht
unähnlich, einen Staatsmann, dessen historische Rolle anhand seiner
Beziehung zur Führungsschicht zu verstehen ist, einen Staatsmann,
der es nötig hatte, 'eine Ergänzung zu seiner Person in anderen
Männern zu suchen’. Diese Äußerung, die von einem Hörer der Vor-
lesungen Mommsens über die Geschichte des römischen Kaiser-
reiches notiert wurde150, weist nicht auf die gleiche Auffassung wie
Symes berühmter Satz über das 'Syndikat’ hinter Augustus hin, doch
bringt sie eine ähnliche Ansicht über die Bedeutung der Aristokratie
auch unter den Kaisern zum Ausdruck.
Fünftens, die Behandlung der führenden Persönlichkeiten. Es gibt
verblüffende Parallelen. Caesar als Mommsens Heros ist zweifellos
verschieden von der Figur des Diktators bei Syme; doch hat der
demokratische Politiker der 'Römischen Geschichte’ etwas gemein-
sames mit dem Staatsmann der 'Römischen Revolution’, der sich über
Parteiinteressen erhob und ein nationales Programm entwarf; und
obwohl Syme Caesar nicht wie Mommsen bewunderte, sah er in ihm
nicht zufällig eine viel sympathischere Figur als in Pompeius, Augustus
und den anderen. Auch die ambivalente Gestalt des Antonius in der
'Römischen Revolution’ steht nicht in Widerspruch zu Mommsens
Urteil über diesen Mann, der 'mehr als ein bloßer Haudegen, mit
Lust und Talent zum Bauen und Schaffen’ war, 'aber ohne Cäsars
Ehrgeiz, sein eigener größter Feind’151. Was Augustus betrifft, war
Syme bei der Darstellung des Ersten Princeps in einer so ungün-
stigen Form unter den neuzeitlichen Historikern von Ed. Gibbon
beeinflußt - der über diesen 'Tyrannen’ schrieb, daß 'a cool head,
an unfeeling heart, and a cowardly disposition, prompted him at the
age of nineteen to assume the mask of hypocrisy, which he never
afterward laid aside’152. Einer ähnlichen Auffassung begegnen wir aber
auch bei Niebuhr, der bemerkt, daß Augustus 'ein ungemein schöner
Mann’ war, und hinzufugt: ‘er ist so schön daß ich deßhalb mir bei-
150 V. Ehrenberg, Theodor Mommsens Kolleg über römische Kaisergeschichte, in:
ders., Polis und Imperium. Beiträge zur Alten Geschichte, Zürich-Stuttgart 1965,
613 ff., dort 620.
151 Zitiert bei V. Ehrenberg, a.a.O. (oben Anm. 150), 619.
152 Ed. Gibbon, The History of the Decline and Fall of the Roman Empire, 5. Aufl.,
I, London 1909, 70.