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Alföldy, Géza; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1983, 1. Abhandlung): Sir Ronald Syme, "Die Römische Revolution" und die deutsche Althistorie: vorgelegt am 4. Dez. 1982 — Heidelberg: Winter, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.47809#0048
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Geza Alföldy

nahe seine Büste angeschafft hätte, allein seine Persönlichkeit hielt
mich davon zurück’ - nämlich seine trotz aller Leistungen von
'Falschheit und Grausamkeit’ gekennzeichnete Persönlichkeit, mit
Mangel an Charakter in Familienaffären153. Mommsens Augustus ist
von Symes kühlem Demagogen und Despoten eher verschieden.
Aber auch er ist keine sonderlich sympathische Figur, mit der Mittel-
mäßigkeit eines stets berechnenden Parvenüs, 'kein großer Mann ...
oder gar ein Genie’, 'etwas ängstlich, etwas zu bürgerlich, unsicher
und schwankend, oft - wie man heute sagen würde - gehemmt’154;
'der Testamentsvollstrecker eines größeren Geistes’, 'ein halber Cae-
sar’ 155. Es ist kaum ein Zufall, daß alle großen erzählenden Geschichts-
schreiber von Gibbon bis Syme eine Aversion gegen Augustus hatten:
Sie waren nicht so sehr von der imposanten Verfassung und Ideo-
logie des augusteischen Staates fasziniert, die der Princeps entwarf,
sondern von den harten und unbeschönigten Fakten der politischen
Geschichte während des Aufstiegs des Dux.
Schließlich, 'high style’. Wie Gibbon und Syme Meister der engli-
schen Prosa sind, gehören Niebuhr und der Literatur-Nobelpreisträger
Mommsen mit der 'Römischen Geschichte’ zu den unübertrefflichen
Meistem der deutschen wissenschaftlichen Prosa. Die Verwandtschaft
beruht nicht nur auf Talent und Geschmack der Verfasser, sondern
auch auf der Ansicht, daß Geschichtsschreibung ebenso Wissenschaft
wie Kunst ist, ähnlich wie in der Antike.
All diese Beobachtungen dürften die geistige Verwandtschaft zwi-
schen der klassischen deutschen Historiographie und der 'Römischen
Revolution’ verdeutlicht haben. Zugleich müßte es uns bewußt wer-
den, wie sehr sich die moderne deutsche Geschichtsschreibung von
den großen Vorbildern des vorigen Jahrhunderts entfernte, im ganzen
betrachtet, meine ich, mehr als der Verfasser der 'Römischen Revo-
lution’. Wie ist diese unterschiedliche Haltung zu erklären? Was
Syme betrifft, ist die Antwort leicht - er blieb bewußt der 'old-
fashioned’ Historiographie treu, in der Art seiner Vorgänger, Sallust,
Tacitus, Gibbon, und - wir können hinzufügen - Niebuhr und Momm-
sen, des Autors der 'Römischen Geschichte’. Freilich dürfte in Eng-
land diese Art der Geschichtsschreibung durch eine kontinuierliche
Tradition viel mehr als in anderen Ländern begünstigt worden sein.

153 B. G. Niebuhr, Vorträge über römische Geschichte III (oben Anm. 148), 141f.
154 So paraphrasiert bei V. Ehrenberg, a.a.O. (oben Anm. 150), 620.
155 Zitiert bei V. Ehrenberg, a.a.O. (oben Anm. 150), 615.
 
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