Die orientalisierende Epoche
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doch dem Inhalt nach zweifellos 'verstanden’. Schwierigkeiten macht, daß inner-
griechisch vielmehr άρ^ά anzusetzen ist48. Die möglichen Lehnwörter können den
gewünschten bündigen Beweis nicht liefern; zu behaupten, daß es sie nicht gibt,
wäre aber nicht weniger kühn. Anzuerkennen bleibt das Kontinuum von der meso-
potamischen zur mediterranen Kultur.
5. Totengeister und Schadenzauber
Die bösen Mächte, gegen die die 'Reinigungen’ helfen sollen, werden als böse,
raubtierhafte Dämonen vorgestellt1. Neben vielerlei phantastischen Namen, die
dabei genannt werden, spielt im besonderen auch der 'Totengeist’ eine üble Rolle,
etemmu2. Dem steht auch im Griechischen eine bei Homer eher verdrängte
als 'noch nicht’ erwachte Angst vor Totengeistem und ihrem Einfluß gegenüber;
hierauf hat besonders Erwin Rohde die Aufmerksamkeit gelenkt3. Freilich hat die
universale Hypothese des Animismus, von der auch Rohde beeinflußt war, kultur-
spezifische Vergleiche eher hintangehalten.
Immerhin muß auffallen, wie sehr die homerische Hadesvorstellung der meso-
potamischen entspricht; insbesondere die Erscheinung der Seele des Patroklos
vor Achilleus mit der Auskunft über die Unterwelt ist der entsprechenden Szene
zwischen Enkidus Geist und Gilgames auffallend ähnlich4. Darüber hinaus erfolgt
die rituelle 'Besänftigung’ der Toten in ganz ähnlicher Weise, vorzugsweise durch
Libationen verschiedener Art, „Wasser, Bier, Röstkom, Milch, Honig, Rahm, Öl“
in Mesopotamien3 gegenüber „Milch, Honig, Wasser, Wein, Öl“ bei Aischylos6.
Vor allem fällt auf, wie wichtig reines Wasser als Totenspende ist, „kühles Was-
ser“, „reines Wasser“7; daß man dazu eigens Röhren ins Grab verlegte, ist im
48 Zu aräru AHw 65; Bileam AT Numeri 22, 6 II 1, 4; zu άρά Chantraine (1968/80)
lOOf.
1 - II 4, 19.
2 AHw 263 f.
3 Rohde (1898), bes. I 259-77: „Elemente des Seelencultes in der Blutrache und Mord-
sühne“.
4 “The comparison ... is, indeed, almost irresistible” G. S. Kirk, Myth (1970) 108; vgl.
id., The Nature of Greek Myths (1974) 260f.; -* III 1, 1.
5 Ebeling (1931) 68f., Nr. 15, 23-5, beim rituellen Begräbnis im Rahmen eines Ersatz-
opfers, II 6.
6 Aisch. Pers. 611-8; vgl. Eur. Iph. Taur. 159-66 (Wasser Milch Wein Honig).
7 Assurbanipal restituierte „Totenspeise und Wassergüsse“ (naq me) für die früheren
Könige, Streck (1916) II 250f.; vgl. Ebeling (1931) 131 Nr. 30A III 38; Färber (1977) II a
158; unruhige Geister „die keine Wassergüsse“ (naq me) „haben“ Thompson I (1903) 40.
Zu Wasserlibationen im griechischen Totenkult Burkert (1977) 125; 299.
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doch dem Inhalt nach zweifellos 'verstanden’. Schwierigkeiten macht, daß inner-
griechisch vielmehr άρ^ά anzusetzen ist48. Die möglichen Lehnwörter können den
gewünschten bündigen Beweis nicht liefern; zu behaupten, daß es sie nicht gibt,
wäre aber nicht weniger kühn. Anzuerkennen bleibt das Kontinuum von der meso-
potamischen zur mediterranen Kultur.
5. Totengeister und Schadenzauber
Die bösen Mächte, gegen die die 'Reinigungen’ helfen sollen, werden als böse,
raubtierhafte Dämonen vorgestellt1. Neben vielerlei phantastischen Namen, die
dabei genannt werden, spielt im besonderen auch der 'Totengeist’ eine üble Rolle,
etemmu2. Dem steht auch im Griechischen eine bei Homer eher verdrängte
als 'noch nicht’ erwachte Angst vor Totengeistem und ihrem Einfluß gegenüber;
hierauf hat besonders Erwin Rohde die Aufmerksamkeit gelenkt3. Freilich hat die
universale Hypothese des Animismus, von der auch Rohde beeinflußt war, kultur-
spezifische Vergleiche eher hintangehalten.
Immerhin muß auffallen, wie sehr die homerische Hadesvorstellung der meso-
potamischen entspricht; insbesondere die Erscheinung der Seele des Patroklos
vor Achilleus mit der Auskunft über die Unterwelt ist der entsprechenden Szene
zwischen Enkidus Geist und Gilgames auffallend ähnlich4. Darüber hinaus erfolgt
die rituelle 'Besänftigung’ der Toten in ganz ähnlicher Weise, vorzugsweise durch
Libationen verschiedener Art, „Wasser, Bier, Röstkom, Milch, Honig, Rahm, Öl“
in Mesopotamien3 gegenüber „Milch, Honig, Wasser, Wein, Öl“ bei Aischylos6.
Vor allem fällt auf, wie wichtig reines Wasser als Totenspende ist, „kühles Was-
ser“, „reines Wasser“7; daß man dazu eigens Röhren ins Grab verlegte, ist im
48 Zu aräru AHw 65; Bileam AT Numeri 22, 6 II 1, 4; zu άρά Chantraine (1968/80)
lOOf.
1 - II 4, 19.
2 AHw 263 f.
3 Rohde (1898), bes. I 259-77: „Elemente des Seelencultes in der Blutrache und Mord-
sühne“.
4 “The comparison ... is, indeed, almost irresistible” G. S. Kirk, Myth (1970) 108; vgl.
id., The Nature of Greek Myths (1974) 260f.; -* III 1, 1.
5 Ebeling (1931) 68f., Nr. 15, 23-5, beim rituellen Begräbnis im Rahmen eines Ersatz-
opfers, II 6.
6 Aisch. Pers. 611-8; vgl. Eur. Iph. Taur. 159-66 (Wasser Milch Wein Honig).
7 Assurbanipal restituierte „Totenspeise und Wassergüsse“ (naq me) für die früheren
Könige, Streck (1916) II 250f.; vgl. Ebeling (1931) 131 Nr. 30A III 38; Färber (1977) II a
158; unruhige Geister „die keine Wassergüsse“ (naq me) „haben“ Thompson I (1903) 40.
Zu Wasserlibationen im griechischen Totenkult Burkert (1977) 125; 299.