Metadaten

Jüngel, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 1. Abhandlung): Glauben und Verstehen: zum Theologiebegriff Rudolf Bultmanns; vorgetragen am 20. Okt. 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47815#0017
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Glauben und Verstehen

7

I. Einleitung
Als der damalige Präsident dieser Akademie des verstorbenen kor-
respondierenden Mitgliedes Rudolf Bultmann gedachte, würdigte er
ihn als „die für das 20. Jahrhundert bedeutendste Forscherpersönlich-
keit protestantischer Theologie in Deutschland“ und als einen „die gei-
stigen Auseinandersetzungen unseres Jahrhunderts entscheidend mit-
prägendefn] Denker“1. Das Saeculum ist zwar noch nicht am Ende,
und die Theologie steht noch immer für einige Überraschungen gut.
Gleichwohl gilt trotz erheblich veränderter Fragestellungen im theolo-
gischen und philosophischen Problembewußtsein des ausgehenden
Jahrhunderts jene Würdigung des großen Marburger Theologen auch
in diesem 100. Jahr nach seiner Geburt. Es sei deshalb erlaubt, an
einige zentrale Gedanken Rudolf Bultmanns zu erinnern: an seine
Beantwortung der Frage: Was ist Theologie?
Ich tue es unter dem Titel „Glauben und Verstehen“, den Bultmann
selbst zur Kennzeichnung derjenigen seiner Aufsätze verwendet hat,
in denen wir den Exegeten als Systematiker am Werke sehen. Der Titel
ist programmatisch. Er formuliert das systematische Interesse, das den
Neutestamentler bei seiner historischen Arbeit geleitet hat und das den
Forschungen des Gelehrten ihren theologischen Charakter gibt. Glau-
ben und Verstehen - mit diesen drei Wörtern hat Bultmann in der für
seine Sprache charakteristischen Einfachheit angezeigt, was nach sei-
nem Urteil die Theologie zur Theologie macht. Die Formulierung steht
in einer Reihe mit anderen Problemanzeigen wie Glauben und Erken-
nen, Glauben und Wissen, Glauben und Denken, aber auch Offenba-
rung und Vernunft, Gnade und Natur usw. Bultmann verwendet gele-
gentlich auch diese Gegenüberstellungen, gibt aber dem mit ihnen
angezeigten Problem durch die von ihm systematisch bevorzugte Rela-
tion von Glauben und Verstehen eine neue Wendung, in der die syste-
matische Kraft seines Denkens erkennbar wird.

1 K Pöschl, Bericht des Präsidenten über das Geschäftsjahr 1976, in: Jahrbuch der Hei-
delberger Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1977, 1978, 39-45, 41f.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften