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Seebaß, Gottfried; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 4. Abhandlung): Die Himmelsleiter des hl. Bonaventura von Lukas Cranach d. Ä.: zur Reformation e. Holzschnitts ; vorgetragen am 15. Dezember 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47818#0046
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Gottfried Seebass

himlischer ewiger belonung/ Der rechte leitterboum zeigt an Messig-
keit in glückseligen dingen/ Der lincke leitterbaum ist Gedult in wid-
derwertigen dingen. Es hat auch diß leitterlein nicht mehr dan[n] drey
sprussen/ Der erst bedeuth Verschmehung der weit/ Der ander ist Ein
demütige sein selbs gering achtung/ Der dritte ist Die demütige lieb
gots/ Diß leitterlei[n] mag sein die leitter Jacob/ die er in seinem
schlaff sach/ das sie biß an den himel/ reichet/ vnd goth sich auff sie
gelehnt heraber sach/ vn[d] die engel an yr auff[-] vnd nider steigen wie
da geschribefn] stett Genißfis] xxviij [10-15]/ Das leitterlein zusteigen
ist also [als so] viel. Wirstu furchten die hellische pein/ vnd liebe[n]
himlische freude vnd belonung, Mess[i]gkeit halten in deinem gluck/
Gedult tragen in deinem vngluck/ Die weit verschmehen/ Dich selbs
gering schetzen/ Gottes lieb vor allem haben So wirstu sunder tzweif-
fel ken himel faren Wu du aber solchs verachst in deinem muth So
wirth dich ewig peynigen der hellen gluth.“
Diesen Angaben entsprechen denn auch die kurzen Texte, die sich
an den in der Unterschrift genannten Stellen des Himmelsleiter-
Holzschnittes finden; am Fuß der Leiter: „Furcht ewiger pein“, am
oberen Ende: „Lieb ewiger belonu[n]g“, auf dem linken Leiterholm:
„Messigkeit in glückseligen dingen“, auf dem rechten: „Gedult in
widderwertigen dingen“, auf den drei Sprossen der Leiter aber von
unten nach oben: „Verschmehung der weit; Sein selbs kleinmechti-
gung; Demütige lieb gottes“. Es kann also keine Rede davon sein, daß
hier die üblicherweise sieben Stufen des Aufstiegs zu Gott auf drei
reduziert seien.61 Vielmehr ist durch die Rede von den ‘vier Enden’
einer Leiter und die drei Sprossen eine siebenstufige ‘geistliche Leiter’
konzipiert worden - zu erschließen freilich nur durch die beigefugte
Unterschrift. Schon diese eigentümliche Vermittlung zwischen den
drei dargestellten und den sieben beabsichtigten Stufen läßt Zweifel
daran aufkommen, daß wir es hier mit der genau zutreffenden Illu-
stration einer literarischen Vorlage zu tun haben.
Eben dies aber legt die Überschrift nahe. Nach ihr muß man anneh-
men, Anlage und Deutung der Leiter gingen auf Bonaventura62
61 So bei Andersson/Talbot, Mighty Fortress, S. 230, Nr. 125, die die durch den Text
hergestellten sieben Stufen zwar aufzählen, aber als Siebenzahl nicht bemerken.
Ebenso falsch ist es, wenn Lohse (Martin Luther und die Reformation in Deutsch-
land, S. 118, Nr. 128) nur drei Stufen im Unterschied zu den sieben des Bonaven-
tura zählt.
62 Eigentlicher Name: Johannes Fidanza di Castello, 1221-1274. Vgl. über ihn: Dett-
loff, Bonaventura, mit der Literatur S. 409f; ders., Art. Bonaventura, in: TRE 7, S.
48-55.
 
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