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Seebaß, Gottfried; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 4. Abhandlung): Die Himmelsleiter des hl. Bonaventura von Lukas Cranach d. Ä.: zur Reformation e. Holzschnitts ; vorgetragen am 15. Dezember 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47818#0047
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Die Himmelsleiter des hl. Bonaventura

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zurück. Die Forschung hat sich daher immer wieder vor allem dem
„Itinerarium mentis in Deum“, das 1269 entstand, zugewandt und
Scheidig hat sogar behauptet, Friedrich der Weise habe die Himmels-
leiter deshalb in Auftrag gegeben, weil ihn dieses Buch „besonders
angesprochen“ habe.63 Wenn das tatsächlich so gewesen sein sollte,
kann er über das Ergebnis der Auftragsarbeit kaum erfreut gewesen
sein. Denn die Übereinstimmungen des Holzschnittes und seiner
Inschriften mit dem „Itinerarium“ des Bonaventura sind äußerst
schmal. Bonaventura spricht zwar vom Aufstieg zu Gott64, vergleicht
diesen auch mit der Jakobsleiter65 und gliedert sein Büchlein in sieben
Kapitel66, wie es auch hier sieben Stufen gibt, wenn man der Zählung
der Unterschrift folgt, aber im übrigen sind Gedankengang und
Anlage bei Bonaventura völlig anders. Denn er stellt, analog zum sieb-
ten Schöpfungstag, die siebte Stufe als die Erfüllung dar, so daß er
eigentlich nur sechs Stufen des Aufstiegs kennt. Diese erreicht er,
indem er der dreifachen Gliederung des grundlegenden Psalmverses
85,11 (Vulgata; 86,11) in Kombination mit Ex 3,18 eine dreifache
Tätigkeit des Menschen - transire per vestigium, intrare in mentem,
transcendere ad aeternum - wie auch eine dreifache Beziehung des
Menschen zur Welt - außer uns, in uns, über uns - gleichsetzt und die-
sen) eweils zwei Stufen zuordnet. Der hier zugrundeliegenden Dreiheit
könnten zwar die drei Sprossen der Cranachschen Leiter entsprechen,
aber was Bonaventura dann zu den sechs ausdrücklich von ihm
genannten Stufen ausführt, hat mit denen unserer Leiter nicht das
geringste zu tun, da es sich um Stufen der Kontemplation handelt.67
Auch unter den Bonaventura zugeschriebenen Schriften gibt es keine,
die dem Programm unserer dreisprossigen bzw. siebenstufigen Lei-
ter nahekäme.68 Ebensowenig führen die wenigen diesbezüglichen
Erwähnungen in den Sermones de Tempore und de Sanctis69 weiter.
63 Vgl. Scheidig in: Katalog der Lucas-Cranach-Ausstellung. Weimar und Wittenberg,
S. 68, Nr. 133.
64 Vgl. Bonaventura, Itinerarium, S. 55 (I, 1).
65 Vgl. Bonaventura, Itinerarium, S. 62ff (I, 9).
66 Vgl. die Übersicht am Ende des Prologs: Bonaventura, Itinerarium, S. 52f.
67 Vgl. die Erläuterungen in Bonaventura, Itinerarium, S. 163 f, Anm. 3.
68 So die Auskunft von Prof. Dr. Kurt Ruh, Würzburg, der mich in diesem Zusam-
menhang auf die von Rudolf von Biberach stammende Schrift „Sieben Straßen zur
Ewigkeit“ hinwies, die aber eben auch nichts Vergleichbares enthält.
69 Vgl. Bonaventura, Opera omnia 9, hier die Sermones In Ascensione Domini, S. 314-
327, bes. Sermo IV über Am 9,6, S. 319-320; und De Sanctis Angelis. Sermo I
über Gen 28, 12ff, S. 609-618.
 
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