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Peter Anselm Riedl
Taddeo di Bartolo in der Pinakothek von Volterra (1411) erwähnt, die
vom zentralen Aufsatz mit dem segnenden Heiland überragt werden;
das narrative Element tritt hinter dem repräsentativen ganz zurück32.
Auf einem kleinen Klappdiptychon von Paolo di Giovanni Fei in der
Sieneser Pinakothek aus den Jahren um 138033 sind die Dreiviertel-
figuren Gabriels und Mariä in die Gipfeltriangel der Felder mit der
thronenden Madonna und der Kreuzigung Christi eingeschrieben. Das
architektonisch und figurativ ungemein aufwendige, 1444 datierte
„Polittico dei Gesuati“ von Sano di Pietro in der Sieneser Pinakothek34
(die Predella befindet sich im Louvre) bietet im gesprengeartig auf-
gelösten Oberteil eine hochragende Mitteltafel mit dem sitzenden
Erlöser in ganzer Figur, links und rechts davon den Verkündigungs-
engel und Maria in Dreiviertelfigur und noch weiter außen die Heili-
gen Cosmas und Damian. Mit Retabeln wie diesem ist ein Endpunkt
der Entfaltung der spätgotischen Altarkunst in Siena erreicht. Was
folgt, sind Abwandlungen, Wiederholungen und Reduktionen, freilich
oft genug von sehr eigenem Reiz. Die Entwicklung geht unter dem
Eindruck florentinischer Frührenaissancebeispiele in Richtung einer
Konzentration des Darstellungsprogramms und einer Ablösung des
vielgliedrigen Aufbaus durch antikisierende Architektur- und Orna-
mentformen - also weg vom Polyptychon und hin zur ädikulagefaßten
oder von antikisch profilierten Rechteck- oder Rundbogenrahmen
umgebenen Tafel (wobei die Kombination eines rechteckigen Haupt-
mit einem lünettenförmigen oberen Nebenbild eine beliebte Alterna-
tive zur Einzeltafel ist). Stilistische Mischformen sind bis ins späte
Quattrocento hinein nicht selten, und im übrigen bleibt die mehr-
teilige Predella mit erzählenden Darstellungen auch dem Renaissance-
altar häufig als Komponente erhalten.
Frühe Beispiele der neuen Retabelgattung finden sich auf den Altä-
ren des Domes in Pienza, also eines nach dem Willen des Piccolomini-
Papstes Pius II. von dem Florentiner Bernardo Rossellino aufgefuhr-
ten Bauwerks35. Giovanni di Paolo, Sano di Pietro, Vecchietta und der
32 Vgl. Sibilla Symeonides: Taddeo di Bartolo, Siena 1965, S. 135 und S. 228 (Katalog,
mit Bibliographie).
33 „Dittico dell’Osservanza“; vgl. Piero Torriti, a.a.O., S. 181 (mit Bibliographie).
34 Auch: „Polittico del Beato Colombini“; vgl. Piero Torriti, a.a.O., S. 234ff. (mit
Bibliographie).
35 Vgl. dazu Enzo Carli: La Cittä di Pio II, Rom 1966, S. 102ff. (mit Abbildungen
sämtlicher Retabel); zum Werk des Giovanni di Paolo: S. 102 und Anm. S. 126f.;
vgl. auch Cesare Brandi, a.a.O., 1947, S. 54.
Peter Anselm Riedl
Taddeo di Bartolo in der Pinakothek von Volterra (1411) erwähnt, die
vom zentralen Aufsatz mit dem segnenden Heiland überragt werden;
das narrative Element tritt hinter dem repräsentativen ganz zurück32.
Auf einem kleinen Klappdiptychon von Paolo di Giovanni Fei in der
Sieneser Pinakothek aus den Jahren um 138033 sind die Dreiviertel-
figuren Gabriels und Mariä in die Gipfeltriangel der Felder mit der
thronenden Madonna und der Kreuzigung Christi eingeschrieben. Das
architektonisch und figurativ ungemein aufwendige, 1444 datierte
„Polittico dei Gesuati“ von Sano di Pietro in der Sieneser Pinakothek34
(die Predella befindet sich im Louvre) bietet im gesprengeartig auf-
gelösten Oberteil eine hochragende Mitteltafel mit dem sitzenden
Erlöser in ganzer Figur, links und rechts davon den Verkündigungs-
engel und Maria in Dreiviertelfigur und noch weiter außen die Heili-
gen Cosmas und Damian. Mit Retabeln wie diesem ist ein Endpunkt
der Entfaltung der spätgotischen Altarkunst in Siena erreicht. Was
folgt, sind Abwandlungen, Wiederholungen und Reduktionen, freilich
oft genug von sehr eigenem Reiz. Die Entwicklung geht unter dem
Eindruck florentinischer Frührenaissancebeispiele in Richtung einer
Konzentration des Darstellungsprogramms und einer Ablösung des
vielgliedrigen Aufbaus durch antikisierende Architektur- und Orna-
mentformen - also weg vom Polyptychon und hin zur ädikulagefaßten
oder von antikisch profilierten Rechteck- oder Rundbogenrahmen
umgebenen Tafel (wobei die Kombination eines rechteckigen Haupt-
mit einem lünettenförmigen oberen Nebenbild eine beliebte Alterna-
tive zur Einzeltafel ist). Stilistische Mischformen sind bis ins späte
Quattrocento hinein nicht selten, und im übrigen bleibt die mehr-
teilige Predella mit erzählenden Darstellungen auch dem Renaissance-
altar häufig als Komponente erhalten.
Frühe Beispiele der neuen Retabelgattung finden sich auf den Altä-
ren des Domes in Pienza, also eines nach dem Willen des Piccolomini-
Papstes Pius II. von dem Florentiner Bernardo Rossellino aufgefuhr-
ten Bauwerks35. Giovanni di Paolo, Sano di Pietro, Vecchietta und der
32 Vgl. Sibilla Symeonides: Taddeo di Bartolo, Siena 1965, S. 135 und S. 228 (Katalog,
mit Bibliographie).
33 „Dittico dell’Osservanza“; vgl. Piero Torriti, a.a.O., S. 181 (mit Bibliographie).
34 Auch: „Polittico del Beato Colombini“; vgl. Piero Torriti, a.a.O., S. 234ff. (mit
Bibliographie).
35 Vgl. dazu Enzo Carli: La Cittä di Pio II, Rom 1966, S. 102ff. (mit Abbildungen
sämtlicher Retabel); zum Werk des Giovanni di Paolo: S. 102 und Anm. S. 126f.;
vgl. auch Cesare Brandi, a.a.O., 1947, S. 54.