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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0049
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Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende

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5. Das Konstanzer Fragment in der christlichen Astrolabliteratur
Betrachten wir die literarische Form des Konstanzer Fragments, so hat
uns die Untersuchung des sachlichen Gehalts schon viele Hinweise
geliefert. Vor allem fallen zahlreiche Lücken und Überschneidungen
der Darstellung auf. Nicht alle gehen auf den fragmentarischen
Zustand des Textes zurück, die meisten auf das kompilatorische
Vorgehen des Autors. Manches, was der Leser sogleich wissen muß,
wird zuerst nur angedeutet und nachher ausgeführt, anderes sofort
ausgebreitet und hinterher ebenso langatmig wiederholt, wieder
anderes stillschweigend vorausgesetzt oder vergessen. Selbst wenn der
Benutzer das hier Fehlende im verlorenen Teil des Werkes nachschla-
gen konnte, brauchte er ein vorzügliches Gedächtnis. Die Wiederho-
lungen ergaben sich so zufällig wie die Auslassungen, nicht aus
didaktischer Absicht.
Auch in der Terminologie werden Schwankungen sichtbar, schon bei
der Bezeichnung des Instruments selbst, die zwischen astrolabium und
astrolapsus wechselt. Die beiden Typen von Astrolabien sind nicht
voneinander unterschieden. Der Verfasser mag sie früher definiert
haben, doch erwartet er, daß seine Leser ohne Vorwarnung vom einen
zum anderen springen. Er scheut sich überhaupt, auf technische Details
einzugehen. Die Araber besitzen eigene Namen für jeden konkreten
Teil des Geräts, für ‘Rückseite’, ‘Vorderseite’, ‘Einlegescheibe’,
‘Spinne’, ‘Außenrand’, ‘Aufhängevorrichtung’. Sie sind den ersten
spanischen Übersetzern und nachher Hermann dem Lahmen willkom-
men, denn Fachterminologie erschwert zwar Anfängern das Verständ-
nis, erleichtert aber Fortgeschrittenen die Beschreibung und Benut-
zung des Apparats. Unser Autor gebraucht allein für Visiereinrichtung
und Zeiger die arabischen Formen, alhidada und almeri, auch sie nicht
konstant.
Bei Punkten und Linien greift er zu den arabischen Fachausdrücken.
Sie gehen zweisprachigen Spaniern leichter ein als lateinisch gebildeten
Franzosen. Doch kommt ihnen der Autor bisweilen entgegen. Erste
lateinische Begriffe tauchen auf, ordines für ‘Grade’, gradus solis für
‘Ekliptikpunkt’. Durchgehalten wird die Latinisierung indes nicht.
Vereinzelt tritt ein lateinischer Terminus neben den arabischen:
altitudo neben cartifa. Ab und zu wird ein arabisches Wort lateinisch
erklärt: nadayr, id est oppositum solis. Wir befinden uns also am
Anfang eines vielschichtigen Austauschprozesses, der noch nicht bis
zum Ausbau einer definierten Fachsprache gediehen ist. Sein Ziel steht
 
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