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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0087
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Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende

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kirche einweihen ließ, schien die Anwesenheit Kaiser Heinrichs III.,
bald danach die Ankunft Papst Leos IX. zu verbürgen, daß die zweite
Stufe der ottonisch-salischen Klosterreform auf soliden Fundamenten
stand und die Gegenwart überdauern würde.
Zweifel an dieser Zeitdeutung äußerte auf der Reichenau bloß einer:
Hermann der Lahme.
10. Zeitmessung und Lebensform bei Hermann dem Lahmen
Hermann dem Lahmen wurde seine gelehrte Arbeit nie zum Selbst-
zweck, auch wenn der Körperbehinderte die Schärfung des Intellekts
als seinen Beitrag zur Handarbeit der Benediktiner verstand. Er
verfolgte damit von Anfang an, seit den 1030er Jahren, ein drängen-
deres Ziel als Berns liturgisch-kosmische Harmonie. Der um eine
Generation Jüngere hämmerte den Zeitgenossen ein, daß sie sich aus
Vorurteil und Stumpfsinn aufraffen, ihren knapp bemessenen Moment
in klare Regeln fassen und voll ausschöpfen müßten, wenn sie ihrem
geschichtlichen Auftrag mit bleibendem Ergebnis nachkommen woll-
ten.137
Das verkündeten die poetischen und historiographischen Schriften
Hermanns ebenso beharrlich wie seine Studien zur Zeitbestimmung
und zur Sternkunde. Von jeder Dramatisierung hielt er sich fern.
Während schlichte Gemüter eine Sonnenfinsternis im Sommer 1033,
genau tausend Jahre nach Christi Kreuzigung, für ein Warnzeichen
Gottes hielten, nahm Hermann sie zum Ausgangspunkt für die
Berechnung künftiger Finsternisse. Nur befremdet teilte er mit, daß
sich Kaiserin Gisela von Wahrsagern habe einreden lassen, sie werde
ihren Sohn überleben, und dann doch lange vor ihm starb. Himmels-
erscheinungen und Menschenschicksale ließen sich nach wie vor nicht
miteinander verrechnen. Die Daten vergangener Geschichte konnten
allerdings astronomisch strenger als früher nachgeprüft werden, und
Hermann tat es.138

137 Incipit opusculum Herimanni diverso metro conpositum, hg. von Ernst Dümm-
ler, Zeitschrift für deutsches Altertum 13 (1867) S. 385-434, hier besonders S.
399. Dazu Borst, Forschungsbericht S. 431 f.
138 Hermann, Chronicon a. 1033 S. 121 Sonnenfinsternis; a. 1043 S. 124 Gisela.
Dazu Borst, Forschungsbericht S. 432-443. Zum Geschichtsbild Verf., Her-
mann der Lahme und die Geschichte (zuerst 1976), jetzt in: Derselbe, Barbaren,
Ketzer und Artisten. Welten des Mittelalters (1988) S. 135-154.
 
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