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Arno Borst
ger? Die ersten lateinischen Schriften vom Astrolab sind uns bloß noch
in Abschriften und Neufassungen greifbar, die nicht allzulange vor 1050
in Katalonien und in Lothringen angelegt wurden. Fragen wir nach
formalen Unterschieden zwischen dem Konstanzer Fragment und
diesen erhaltenen Überresten der frühesten christlichen Astrolablite-
ratur, so hebt es sich durch vier Besonderheiten ab.
Erstens: Diejenigen Handschriften aus Lothringen, die man bisher
als Vorlagen Hermanns angesehen hatte, gleichen den Lautbestand
mancher arabischer Sternnamen bereits an die lateinische Grammatik
an, was die Codices aus Katalonien noch vermeiden. Auch Hermann
steht auf der höheren Stufe; er gibt dem Wort Calbcilazet die Endung
-eda. Solche Anpassungen fehlen in dem Fragment; die Normen
mittellateinischer Sprache durchdringen diesen Text noch nicht. Seine
Lesart alcotob kommt dem arabischen al-qutb lautlich näher als
Hermanns alchitob.51
Zweitens: Nachfolgende Bearbeiter kleiden wie Hermann das
holprige Latein der ersten Übersetzungen in literarischen Wortschatz
und Satzbau. Der Verfasser des Bruchstücks bleibt, wie arabische
Autoren, näher an der gesprochenen Rede und ihren parataktischen
Sätzen: „Wenn du etwas wissen willst, tu zuerst dieses, danach bedenk
jenes, dann wirst du es wissen.“ Die lateinischen Worte klingen vulgär.
Wo die Spinne des Astrolabs im Kreis gedreht werden soll, wählt
Hermann die vergilische Vokabel circumvolvi; unser Autor drückt sich
spanischer aus: tornare in circulod*
Drittens: Nicht die frühesten katalanischen Übersetzungen, aber die
lothringischen Bearbeitungen setzen zu den Sternnamen kleine aus
Punkten bestehende Figuren, die das Aussehen der Sternbilder
nachzeichnen. Erst wer den Löwen am Himmel erkannt hat, kann das
Astrolab auf den Regulus einstellen. In unserem Fragment sind solche
Figuren angekündigt, aber weggelassen. Teils nimmt unser Autor
schon auf arabische Art an, daß seine Leser die Hauptgestalten des
57 De mensura astrolabii c. 2, hg. von Millas, Assaig S. 301 gab die Sternnamen rein
arabisch wieder. Gerberts Schüler, De utilitatibus astrolabii c.' 17, hg. von
Bubnov, Gerbert S. 136-138 versah sie teilweise mit lateinischen Endungen. Zu
Hermann oben Anm. 10.
58 Lupitus, Prolog S. 271-275 erreichte mit seiner Kunstprosa bei weitem nicht die
Stillage von Gerberts Schüler, De utilitatibus astrolabii c. 1 S. 114-117 oder gar
von Hermann, De mensura astrolabii c. 6 S. 210. Dort steht das Wort
circumvolvi in einem Satz, der sich mit vielen Untergliederungen und stabrei-
menden oder rhythmischen Ketten über zehn Druckzeilen erstreckt.
Arno Borst
ger? Die ersten lateinischen Schriften vom Astrolab sind uns bloß noch
in Abschriften und Neufassungen greifbar, die nicht allzulange vor 1050
in Katalonien und in Lothringen angelegt wurden. Fragen wir nach
formalen Unterschieden zwischen dem Konstanzer Fragment und
diesen erhaltenen Überresten der frühesten christlichen Astrolablite-
ratur, so hebt es sich durch vier Besonderheiten ab.
Erstens: Diejenigen Handschriften aus Lothringen, die man bisher
als Vorlagen Hermanns angesehen hatte, gleichen den Lautbestand
mancher arabischer Sternnamen bereits an die lateinische Grammatik
an, was die Codices aus Katalonien noch vermeiden. Auch Hermann
steht auf der höheren Stufe; er gibt dem Wort Calbcilazet die Endung
-eda. Solche Anpassungen fehlen in dem Fragment; die Normen
mittellateinischer Sprache durchdringen diesen Text noch nicht. Seine
Lesart alcotob kommt dem arabischen al-qutb lautlich näher als
Hermanns alchitob.51
Zweitens: Nachfolgende Bearbeiter kleiden wie Hermann das
holprige Latein der ersten Übersetzungen in literarischen Wortschatz
und Satzbau. Der Verfasser des Bruchstücks bleibt, wie arabische
Autoren, näher an der gesprochenen Rede und ihren parataktischen
Sätzen: „Wenn du etwas wissen willst, tu zuerst dieses, danach bedenk
jenes, dann wirst du es wissen.“ Die lateinischen Worte klingen vulgär.
Wo die Spinne des Astrolabs im Kreis gedreht werden soll, wählt
Hermann die vergilische Vokabel circumvolvi; unser Autor drückt sich
spanischer aus: tornare in circulod*
Drittens: Nicht die frühesten katalanischen Übersetzungen, aber die
lothringischen Bearbeitungen setzen zu den Sternnamen kleine aus
Punkten bestehende Figuren, die das Aussehen der Sternbilder
nachzeichnen. Erst wer den Löwen am Himmel erkannt hat, kann das
Astrolab auf den Regulus einstellen. In unserem Fragment sind solche
Figuren angekündigt, aber weggelassen. Teils nimmt unser Autor
schon auf arabische Art an, daß seine Leser die Hauptgestalten des
57 De mensura astrolabii c. 2, hg. von Millas, Assaig S. 301 gab die Sternnamen rein
arabisch wieder. Gerberts Schüler, De utilitatibus astrolabii c.' 17, hg. von
Bubnov, Gerbert S. 136-138 versah sie teilweise mit lateinischen Endungen. Zu
Hermann oben Anm. 10.
58 Lupitus, Prolog S. 271-275 erreichte mit seiner Kunstprosa bei weitem nicht die
Stillage von Gerberts Schüler, De utilitatibus astrolabii c. 1 S. 114-117 oder gar
von Hermann, De mensura astrolabii c. 6 S. 210. Dort steht das Wort
circumvolvi in einem Satz, der sich mit vielen Untergliederungen und stabrei-
menden oder rhythmischen Ketten über zehn Druckzeilen erstreckt.