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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0057
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Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende

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uns etwas weiter: Es war also auch nicht das innerste einer gefalteten
Lage, sondern wahrscheinlich das dritte. Ihr dürfte wenigstens ein
ganzer Quaternio von acht Blättern vorausgegangen sein, und das
hintere der beiden erhaltenen wäre schon das vierzehnte in der Reihe
gewesen.
Daß es noch mehr waren, zeigt der Inhalt der vorliegenden Teile, der
sich um Zeitmessung dreht. Dieses Thema steht bei allen Vergleichs-
texten etwa in der Mitte; sie gliedern es in ähnlich kurze Abschnitte.
Die meisten Kapitel vorher holen weiter aus. Auch auf der ersten Seite
des Fragments werden zwei Drittel vom Schluß eines Kapitels über die
Astrolabsterne beansprucht, das offenkundig im ganzen mehr als
doppelt so lang ist. Von anderen Kapiteln, die am Anfang des Werkes
nicht fehlen dürfen, nimmt jedes sogar mehrere Blätter ein: die
Beschreibung von Vorder- und Rückseite des Astrolabs, die Erläute-
rung seiner Kurven, Skalen und Zeiger, die Erklärung der arabischen
Termini dafür - lauter Kenntnisse, die beim Leser unseres Fragments
vorausgesetzt werden, ihm also bereits erklärt worden waren.
Ähnlich umfangreich ist, was nach dem Fragment folgen muß. Mit
den Stunden eines Tages ist das Thema Zeitmessung nicht erschöpft.
Hinzu kommen langfristige Probleme: wann die Sonne auf- und
untergeht, wann der Mond in seine Phasen tritt, wie sich diese Umläufe
zu Wochentag, Mondmonat und Sonnenjahr verhalten, also den
kirchlichen und den weltlichen Kalender gliedern. Des weiteren
müssen geistliche Grundherren wissen, wie es zum Wechsel der
Jahreszeiten kommt, wann im Frühling Aussaat und Krieg beginnen
können, wann im Herbst Feldzug und Ernte beendet sein müssen.
Danach sind Details der mathematischen Astronomie zu erörtern,
die Himmelskoordinaten der Astrolabsterne, die Neigungswinkel der
Ekliptik zwischen den Wendekreisen der Sonne, die geographischen
Breiten der Erdzonen zwischen Äquator und Pol, die Messung von
Richtungen und Entfernungen in der Horizontebene. Diese Darlegun-
gen füllten nach dem Quaternio, zu dem unser Doppelblatt gehörte,
gewiß eine dritte Lage und brachten das Gesamtwerk auf mindestens 24
Blätter und weit über 80 Kapitel.
Dabei sind die Seiten im Format kaum kleiner, indes mit Zeilen
etwas dichter gefüllt als sonst in Reichenauer Handschriften der Zeit.
Von anderswo überlieferten frühen Astrolab-Traktaten erreicht bloß
einer den Umfang von zwölf Blättern, keiner eine Länge von mehr als
23 Kapiteln. Selbst wenn der Reichenauer Schreiber das Format seiner
Vorlage nicht genau beibehalten konnte, muß schon sie den üblichen
 
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