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Arno Borst
Wissenschaft oder christlich ausgerichtete Politik? Nein, er half
machtgierigen Bischöfen wie dem von Orleans, die Freiheit der
Mönche zu unterdrücken.111 Dagegen suchte der Kirchenpolitiker
Abbo wohl Hilfe bei König Robert dem Frommen und Papst Gregor
V., aber letztlich verfocht er als Mönchslehrer seine Sache allein, ein
ebenso furchtloser wie unerbittlicher Kämpfer. Seine Feinde schlugen
ihn 1004 kurzerhand tot, seine Freunde verehrten ihn sogleich als
Märtyrer.
Auf die dreihundert Mönche in Fleury machte Abbos Entschieden-
heit tiefen Eindruck. Manche übersteigerten die gegenwärtigen Span-
nungen zu einem fast manichäischen Dualismus, der zur selben Zeit im
nächsten Umkreis auch die früheste Ketzerbewegung des Abendlandes
hervorrief.112 Als schlimmste Werkzeuge Satans beschrieb der Bio-
graph Abbos die spanischen Sarazenen samt ihren pseudochristlichen
Freunden.113 Als größte Helden feierte der Hagiograph von Fleury
standhafte Katholiken aus Andalusien und gepeinigte Benediktiner in
Katalonien.114
Doch wenn die endgültige Wahrheit vor dem Weitende keinem
Sterblichen zuteil wurde, förderte eine voreilige Konfrontation eher
111 Beste vergleichende Gesamtwürdigung nach wie vor bei Vyver, Abbon S.
158-169; unentbehrlich indes die Nuancierungen von Riehe, Gerbert S. 48,108,
185 f. Eine gerechtere Einschätzung von Gerberts monastischem Denken bei
Jean Leclercq, Interpretazione gerbertina della vita monastica, in: Tosi,
Gerberto S. 677-689; Riehe, Gerbert S. 239-241.
112 Speziell zur Häresie von Orleans 1022 und zur Reaktion von Fleury Renate
Gorre, Die ersten Ketzer im 11. Jahrhundert. Religiöse Eiferer - soziale
Rebellen? Zum Wandel der Bedeutung religiöser Weltbilder (Diss. phil.
Konstanz 1982) S. 56-119; Riehe, Gerbert S. 140. Zum weiteren Umfeld Verf.,
Die Katharer (Schriften der MGH. Bd. 12, zuerst 1953, 51986) S. 71-80;
Malcolm D. Lambert, Ketzerei im Mittelalter. Häresien von Bogumil bis Hus
(1981) S. 47-65.
113 Aimoin von Fleury, Vita Abbonis c. 20, in: Abbo, Opera Sp. 409. Zu den
spanischen Quellen dieses Klischees Richard W. Southern, Das Islambild des
Mittelalters (1981) S. 20-25. Zu Aimoins Werk Robert-Henri Bautier, La place
de l’abbaye de Fleury-sur-Loire dans l’historiographie fran^aise du IXe au XIF
siede, in: Louis, Etudes S. 25-33, hier S. 26-29.
114 Andreas von Fleury, in: Miracula sancti Benedicti ab monachis Floriacensibus
scripta V, 6, hg. von Eugene de Certain (Societe de l'histoire de France Bd. 96,
1858) S. 202 über einen Helfer Abbos, der wohl aus Andalusien stammte,
Johannes nomine ..., Sarracenus praenomine dictus. Die Nachricht vom
sarazenischen Angriff auf ein katalanisches Kloster, ebd. IV, 9 S. 185-187,
betraf offenbar die Kriege al-Mansurs seit 981, erreichte aber Fleury erst nach
1004, wie IV, 7 S. 182 f. lehrt. Monachorum Floriacensium epistola encyclica, in:
Arno Borst
Wissenschaft oder christlich ausgerichtete Politik? Nein, er half
machtgierigen Bischöfen wie dem von Orleans, die Freiheit der
Mönche zu unterdrücken.111 Dagegen suchte der Kirchenpolitiker
Abbo wohl Hilfe bei König Robert dem Frommen und Papst Gregor
V., aber letztlich verfocht er als Mönchslehrer seine Sache allein, ein
ebenso furchtloser wie unerbittlicher Kämpfer. Seine Feinde schlugen
ihn 1004 kurzerhand tot, seine Freunde verehrten ihn sogleich als
Märtyrer.
Auf die dreihundert Mönche in Fleury machte Abbos Entschieden-
heit tiefen Eindruck. Manche übersteigerten die gegenwärtigen Span-
nungen zu einem fast manichäischen Dualismus, der zur selben Zeit im
nächsten Umkreis auch die früheste Ketzerbewegung des Abendlandes
hervorrief.112 Als schlimmste Werkzeuge Satans beschrieb der Bio-
graph Abbos die spanischen Sarazenen samt ihren pseudochristlichen
Freunden.113 Als größte Helden feierte der Hagiograph von Fleury
standhafte Katholiken aus Andalusien und gepeinigte Benediktiner in
Katalonien.114
Doch wenn die endgültige Wahrheit vor dem Weitende keinem
Sterblichen zuteil wurde, förderte eine voreilige Konfrontation eher
111 Beste vergleichende Gesamtwürdigung nach wie vor bei Vyver, Abbon S.
158-169; unentbehrlich indes die Nuancierungen von Riehe, Gerbert S. 48,108,
185 f. Eine gerechtere Einschätzung von Gerberts monastischem Denken bei
Jean Leclercq, Interpretazione gerbertina della vita monastica, in: Tosi,
Gerberto S. 677-689; Riehe, Gerbert S. 239-241.
112 Speziell zur Häresie von Orleans 1022 und zur Reaktion von Fleury Renate
Gorre, Die ersten Ketzer im 11. Jahrhundert. Religiöse Eiferer - soziale
Rebellen? Zum Wandel der Bedeutung religiöser Weltbilder (Diss. phil.
Konstanz 1982) S. 56-119; Riehe, Gerbert S. 140. Zum weiteren Umfeld Verf.,
Die Katharer (Schriften der MGH. Bd. 12, zuerst 1953, 51986) S. 71-80;
Malcolm D. Lambert, Ketzerei im Mittelalter. Häresien von Bogumil bis Hus
(1981) S. 47-65.
113 Aimoin von Fleury, Vita Abbonis c. 20, in: Abbo, Opera Sp. 409. Zu den
spanischen Quellen dieses Klischees Richard W. Southern, Das Islambild des
Mittelalters (1981) S. 20-25. Zu Aimoins Werk Robert-Henri Bautier, La place
de l’abbaye de Fleury-sur-Loire dans l’historiographie fran^aise du IXe au XIF
siede, in: Louis, Etudes S. 25-33, hier S. 26-29.
114 Andreas von Fleury, in: Miracula sancti Benedicti ab monachis Floriacensibus
scripta V, 6, hg. von Eugene de Certain (Societe de l'histoire de France Bd. 96,
1858) S. 202 über einen Helfer Abbos, der wohl aus Andalusien stammte,
Johannes nomine ..., Sarracenus praenomine dictus. Die Nachricht vom
sarazenischen Angriff auf ein katalanisches Kloster, ebd. IV, 9 S. 185-187,
betraf offenbar die Kriege al-Mansurs seit 981, erreichte aber Fleury erst nach
1004, wie IV, 7 S. 182 f. lehrt. Monachorum Floriacensium epistola encyclica, in: