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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 1. Abhandlung): Zur Entwicklung von Alphabetschrift-Systemen: is fecit cui prodest; vorgetragen am 21. April 1990 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48161#0022
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Wolfgang Raible

Beispiele für den Gravis sind in diesem Text die Verse 736, 739 (ΔΑΙ)
und 742 (ΛΥΓΡΑ); Beispiele für den Akut: Vers 736 (ΕΚΤΩΡ), 739
(ΕΣΚΕ) und 741 (ΓΟΟΝ, ΠΕΝΘΟΣ). - Der Zirkumflex wird, wenn er
notiert wird, durch einen zunächst nach oben gehenden, dann nach un-
ten gehenden Strich bezeichnet. (Er kann in griechischen Wörtern nach
dem Dreimorengesetz nur auf der letzten oder vorletzten Silbe stehen.)
Beispiel: 738 (ΟΥΔΑΣ).
Die Strategie der Akzentuierung zweideutiger Stellen kann vieles klä-
ren. Sie reicht jedoch nicht aus. Es gibt genügend Fälle, in denen z.B.
ein Buchstabe zu einem vorhergehenden und genauso gut zu einem
nachfolgenden Wort gehören kann. Das folgende Beispiel aus dem
Omikron der Ilias (Vers 10) zeigt dies:
κηρ απινυσσων
Ο 10 ΕΙΑΘΟΔΑΡΓΑΛΕΩΕΧΕΤΑΣΘΜΑΤΙΚΗΡΑΠΙΝΤΣΣΩΝ
κηρα πιυυσσωυ
Jede der beiden möglichen Lesarten ergibt einen Sinn. Um in solchen
Fällen Eindeutigkeit zu schaffen, wird ein kommaähnliches Zeichen
über den Zwischenraum zwischen zwei Buchstaben gemacht - Beispiele
finden sich in dem Ilias-Text in den Versen 744, 747 (bis).
Eine dritte Strategie betrifft die vokalischen Wortanfänge. Sie kön-
nen im Griechischen aspiriert sein (τό δασύ) oder nicht (τό ψιλόν). Aus
dem (zunächst nicht verwendeten) Buchstaben heta haben sich dabei
zwei Zeichen entwickelt: die linke Hälfte für die Aspiration, die rechte
Hälfte für die Nicht-Aspiration. Beispiele für entsprechende Markie-
rungen finden sich in den Versen 736, 738, 744 (bis), 747 (bis).
Schließlich gibt es als vierte Strategie noch Ansätze zu einer Inter-
punktion. Die grammatische Theorie unterscheidet schon bei Dionysios
drei Arten von Punkten (στιγμαί).16 In der Praxis der Papyri gibt es
allenfalls zwei Arten von Punkten.17 Dabei muß noch berücksichtigt
werden, daß die Grammatik des Dionysios dort, wo sie in unserem Sinne
Grammatik ist, nur eine Lehre von den acht Wortarten des Griechischen
ist. Es bestehen noch keinerlei Ansätze zu einer Syntax.18 Da konse-
16 Den Schlußpunkt, der den Abschluß des Gedankens anzeige, den mittleren, der eine
Atempause markiere, und die hypostigme, den Unterpunkt oder kleinen Punkt, der
anzeige, daß der Gedanke noch nicht abgeschlossen sei, sondern daß noch etwas dazu-
kommen müsse. Die Pause sei hierbei weniger ausgedehnt. Vgl. Dionysios Thrax,
Τέχνη γραμματική, p. 630, 5-10 Bekker.
17 Vgl. dazu Laum (1928).
18 Diese Syntax entsteht erst etwa 300 Jahre später in Alexandrien, dann aber in der
meisterhaften Form, die ihr Apollonios Dyskolos gegeben hat.
 
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