Metadaten

Jayme, Erik; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1994, 1. Abhandlung): "Entartete Kunst" und internationales Privatrecht: vorgetragen am 6. November 1993 — Heidelberg: Winter, 1994

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48170#0039
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Entartete Kunst

29

können die Besitzzeiten derjenigen früheren Besitzer nicht einge-
rechnet werden, welche das Bild in der Schweiz besaßen, da nach
Schweizer Recht Herausgabeansprüche des Eigentümers nicht ver-
jähren. Es stellt sich aber die Frage, ob die Besitzzeiten von 1937-
1962 über §221 BGB wieder beachtlich werden können98, in der sich
die „Sumpflegende“ in Deutschland befand, bevor sie in die
Schweiz kam, bzw. ob solche Besitzzeiten wieder aufleben.
Nimmt man die Prägungstheorie ernst, so hatte der Aufenthalt
in der Schweiz einen „Reinigungseffekt“: Die alten Besitzzeiten in
Deutschland gehen unter und leben nicht wieder auf.
3. Schweizer Rechtsprechung: Der Fall Goldschmidt
Ein Blick in die Schweizer Rechtsprechung zeigt allerdings, daß das
Problem der Verjährung dinglicher Herausgabeansprüche in der
Schweiz kaum auftaucht, da dort der Begriff des guten Glaubens
zugunsten des Erwerbers ausgelegt wird. Das Schweizer Bundesge-
richt hatte am 13.12.1968 über zwei Bilder von Toulouse Lautrec zu
entscheiden, welche die Erben des Berliner Bankiers Goldschmidt
herausverlangten.99 Der Vater der Beklagten, ein Schweizer, hatte
die Bilder 1941 auf einer Berliner Auktion erworben, nachdem das
Vermögen des jüdischen Bankiers als dem Reich verfallen erklärt
worden war. Die Besonderheit des Falles lag darin, daß Gold-
schmidt die Bilder 1931 zur Sicherung von Bankverpflichtungen
einem Gläubiger übereignet hatte.100 Das Schweizer Bundesgericht
hielt den Erwerber für gutgläubig. Er sei zur Annahme berechtigt
gewesen,

98 Vgl. oben Note 95.
99 BG, 13.12.1968, BGE 94-11 (1968), 297. Es ging dabei um die Ersitzung gemäß
Art. 728 ZGB.
100 Zum Sachverhalt im einzelnen BG, vorige Note, S.299: „Am 16. Februar 1940
wurde Goldschmidt die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Ein Jahr
später (18. Februar 1941) wurde sein Vermögen als dem Reich verfallen erklärt.
Diese Verfügung betraf auch die der Bank übereigneten Kunstgegenstände aus
der Villa in Neubabelsberg. Das Finanzamt Moabit-West ging davon aus, diese
Gegenstände seien nicht Eigentum der Bank, sondern ihr bloß verpfändet. Es
ließ sie, nachdem sie die Bank nach längerem Widerstand herausgegeben hatte,
am 25. September 1941 durch den Auktionator Hans. W. Lange in Berlin öffent-
lich versteigern.“
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften