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Lutz, Dietrich [Oth.]; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Contr.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Contr.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Contr.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Contr.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 15 : Münchner Reihe ; Band 4): Die Inschriften der Stadt Rothenburg ob der Tauber — München: Druckenmueller, 1976

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https://doi.org/10.11588/diglit.45638#0031
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viel später erfolgt. Betrachtet man jedoch die Entwicklung an anderen Orten, deren Inschriften bereits
publiziert sind, so stellt man fest, daß fast überall die gotische Minuskel erst gegen Ende des 14. Jahrhun-
derts an die Stelle der gotischen Majuskel tritt, Rothenburg also keine Sonderstellung einnimmt62).
Der Übergang von der gotischen Majuskel zur Minuskel zeigt sich in Rothenburg besonders augen-
fällig auf dem Grabstein des Konrad Schultheiß (Nr. 35), der nach 1400 zunächst in gotischer Majuskel
angefertigt wurde, wobei der Platz für die Sterbedaten frei blieb. Diese wurden nach dem Tode des Konrad
Schultheiß (1404 April 10) in gotischer Minuskel nachgetragen.
Nach 1400 finden wir in Rothenburg kaum mehr eine Inschrift in gotischer Majuskel. In dem Jahr-
hundert zwischen 1400 und 1500 beherrscht die gotische Minuskel unangefochten das Feld der Rothen-
burger Inschriften. Sie hat sich in allen Bereichen durchgesetzt und ist in dem genannten Zeitraum die
epigraphische Schrift schlechthin. Sie wird in Stein gehauen, auf Holz gemalt und aus Metall erhaben
herausgearbeitet.
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (erste Inschrift 1537, Nr. 186) tritt neben die gotische Minuskel
die Renaissance-Kapitalis. Ihre Vorstufe, die frühhumanistische Kapitalis, ist in Rothenburg mit zwei Bei-
spielen vertreten (Plastik des Elias in St. Jakob, Schrift nach 1450, Nr. 70; Heilig-Blut-Altar in St. Jakob,
1500-1505, Nr. 160). Die Inschriften, bei denen die Renaissance-Kapitalis Verwendung findet, sollen
durch diese Schriftart in ihrer Bedeutung hervorgehoben werden. Sie haben meist offiziellen Charakter
und sind in lateinischer Sprache abgefaßt. In Rothenburg setzt die Renaissance-Kapitalis wesentlich später
ein als in Mainz und Heidelberg63), das entspricht aber den Beobachtungen in den übrigen bereits unter-
suchten Gebieten. Sie kommt bis zum Ende des untersuchten Zeitraums vor.
Für die humanistische Minuskel gibt es in Rothenburg nur ein Beispiel, das Metallepitaph für Johann
Hornburg aus dem Jahre 1571 (Nr. 261).
Die Fraktur ist in Rothenburg erst nach der Mitte des 16. Jahrhunderts voll ausgebildet (Beschreibung
der Merkmale der Fraktur siehe unten). Die älteste Frakturinschrift ist die gemalte Inschrift von 1554 in
der Heilig-Blut-Kapelle (Nr. 206). Auf einem Epitaph ist die Fraktur erstmals 1560 (Epitaph für Hans
Guttenberg, Nr. 218) erhalten. Eine Zeitlang laufen gotische Minuskel und Fraktur nebeneinander her.
Das jüngste Beispiel für die gotische Minuskel befindet sich auf dem Epitaph der Ehefrau des Hans Gutten-
berg, Barbara, aus dem Jahre 1579 (Nr. 309). Das Epitaph mit der ältesten Fraktur und das mit der jüngsten
gotischen Minuskel waren also ursprünglich auf ein und demselben Grabstein angebracht.
Die gotische Majuskel64).
Die erste der in Rothenburg vorkommenden Schriftarten, die gotische Majuskel, ist vor allem in
Grabsteine eingehauen (nur eine Ausnahme erhaben, Nr. 12), daneben finden wir eine gemalte Inschrift
(Nr. 13), drei Inschriften auf Glocken und zwei auf Glasgemälden (die fünf letzteren werden aber bei der
Schriftbeschreibung nicht berücksichtigt). Die einzelnen Buchstaben dieser Schrift haben etwa hochrecht-
eckige Umrißformen. Die Schäfte sind durch geschwungene Linien begrenzt; gerade Linien fehlen beinahe
völlig. Die unteren und oberen Enden der Schäfte neigen dazu aufzuspalten.
Die einzelnen Buchstaben weisen folgende Merkmale auf:
A Die Schäfte stehen meist beinahe senkrecht, der linke gelegentlich etwas schräg gegen den rechten
gelehnt, darüber ein meist mit den Enden überstehender waagerechter Deckbalken (Ausnahmen: 1312,
Nr. 11; 1378, Nr. 27), der Mittelbalken ist meist gerade und waagerecht, nur in Ausnahmefällen ge-
brochen (1343, Nr. 21).
B dem Kapitalis-B nahe verwandt, Mittelstrich zieht nicht immer ganz an den Schaft (z. B. 1312, Nr. 11;
1373, Nr. 25).
C offen (vgl. Nr. 14, undatiert; 1343, Nr. 21), durch einen feinen Haarstrich (vgl. 1285, Nr. 1; 1326,
Nr. 15) oder später durch einen kräftigen Strich (z. B. 1373, Nr. 25) geschlossen.
D tritt in zwei Formen auf: erstens in der aus der Kapitalis bekannten mit geschwungenem Schaft und
kräftigen Bogen und zweitens in der aus der Unziale abgeleiteten Form mit einem mehr oder minder
über der Rundung liegenden Deckstrich (vgl. 1285, Nr. 1; 1373, Nr. 25).

62) Vgl. DI Bd. IVWimpfen Nr. 40, S. 16 (1417); DI Bd. V München Nr. 19, S. 11 (1381); Bd. VI Naumburg
Dom Nr. 18, S. 27 (1391); DI Bd. VII Naumburg Stadt Nr. 178, S. 3 (1375, Gerät); DI Bd. VIII Mosbach, Buchen,
Miltenberg Nr. 5 a (Ende 14. Jh.), Nr. 6 (1419); DI Bd. IX Landkreis Naumburg Nr. 355, S. 15 t'. (1356); DI Bd. XII
Heidelberg S. 36, Nr. 57 (1379). Neben der frühen Inschrift des Landkreises Naumburg von 1356 ist auch die älteste
gotische Minuskel der Stadt Fritzlar eine Ausnahme. Sie befindet sich auf einem wahrscheinlich in Mainz entstan-
denen Importstück: Nr. 13 (1340).
63) Vgl. DI Bd. II Mainz Nr. 206, S. 115 (1484); DI Bd. XII Heidelberg Nr. 138, 139 (nach 1485).
64) |Vgl. K. Brandi, Grundlegung einer deutschen Inschriftenkunde, Deutsches Archiv 1 (1937) S. 31 und
Tafel III.

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