Einmeißelung - vielleicht mit Vorstechen der Scheitel- und Fußpunkte ausgeführt? - rückt die Inschrift
in ihrer technischen Ausführung eng an die auf dem Heiligenberg im Bereich des ehemaligen Stephansklo-
sters gefundene Hazecha-Inschrift, die heute im Heidelberger Kurpfälzischen Museum verwahrt wird38).
Der aus diesem Vergleich gewonnene Zeitansatz entspricht der Nennung des Namens Hildebertus in
Lorscher Urkunden39). Die abgeknickte Form der Querleiste des A und die sehr stark schräg gestellten
Hasten des M fallen auf; Ligaturen und Kürzungen entsprechen der Zeit40).
Die gotische Majuskel
Die gotische Majuskel ist sowohl im Raume des ehemaligen Landkreises Mannheim als auch im süd-
lichen Bereich des neuen Rhein-Neckar-Kreises reich und vielfältig vertreten. Sie setzt mit dem ausgehen-
den 13. Jahrhundert ein und hat letzte Vertreter noch 1459 in Weinheim und noch 1502 in Ladenburg41).
Dieses „verspätete“ Auftreten der gotischen Majuskel zu einer Zeit, wo sonst bereits überall die gotische
Minuskel die herrschende Schriftart in der Monumentalschrift ist, wirkt zunächst befremdlich, sollte aber
nicht dazu führen, diese Schriftformen bereits als „historisierend“ zu qualifizieren. Das würde einen bewuß-
ten Rückgriff auf eine als überlebt betrachtete Epoche der Schriftgcstaltung implizieren, der hier sicher
nicht gegeben ist. Es finden sich in der Monumentalschrift immer wieder Beispiele fiir eine verzögerte
Annahme neuer Gestaltungselemente, weil alte Vorlagen, handwerkliche Tradition und persönlicher
Geschmack des Auftraggebers in stärkerem Maße die Ausführung bestimmen als dies bei geschriebenen
Schriften der Fall ist. Steine in gotischer Majuskel sind bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts und noch
darüber hinaus in allen Gebieten gelegentlich zu finden, auch wenn sich die gotische Minuskel generell
durchgesetzt hatte42).
Die Erscheinungsformen der gotischen Majuskel differieren in der spezifischen Ausführung beträchtlich.
Es überwiegt die mehr quadratische, „breite“ Form (Verhältnis von Höhe zu Breite 1:1) gegenüber der
erst später auftretenden gestreckteren Form (Verhältnis von Höhe zu Breite 2:1). Der Buchstabenbestand
ist schon bei dem ersten der im Bearbeitungsgebiet überlieferten Stein aus dem Jahre 1293 fixiert (nr. 6)
und unterliegt keinen nennenswerten Veränderungen mehr: A zeigt einen weit nach links übergreifenden
Dcckstrich, C, D und E haben die sogenannte „geschlossene“ Form, N, T und U sind sowohl in kapitaler
als auch in unzialer Ausführung gebraucht. Das unziale M zeigt 1293 in Weinheim bereits die ganz geschlos-
sene Form mit Fußstrich, es entspricht genau der Bildung des unzialen E. Diese Form wiederholt sich
auf einer (undatierten) Ladenburger Glocke mit Majuskelinschrift, wo offenbar für beide Buchstaben
gleiche Model verwendet sind und mehrmals beim M die 45°-Drehung versäumt wurde, was der Lesung
der Inschrift beträchtliche Schwierigkeiten bereitete43). Entgegen mancher anderen Beobachtung läßt sich
am hier vorliegenden Material eine Entwicklung der Einzelbuchstaben - etwa vom offenen zum geschlos-
senen C, E oder AL - nicht feststellen, ebensowenig wie eine völlige Verdrängung kapitaler zugunsten un-
zialer Formen44 *). Was sich ändert, ist der Gesamtcharakter der Schrift, die in der Frühzeit eine linear flie-
ßende Form zeigt, die später zugunsten einer ornamental flächigen Form zurücktritt. Für den letzteren
Charakter ist die in deutscher Sprache abgefaßte Gründungsinschrift des Deutschordenshauses in Wein-
heim aus dem Jahre 1350 ein sehr typisches Beispiel, wo jeder Buchstabe in seinen verschiedensten Varian-
ten (AL begegnet kapital, unzial geschlossen und unzial halboffen, N kapital und unzial, ebenso F, V und
T, A hat drei variierte Formen) für sich als Schmuckelement gestaltet ist46). Ähnliche Variationsbreite
und Flächigkeit zeigen die Inschriften von 1357 aus Mannheim-Neckarau (nr. 19) und die leider nur sehr
38) Vgl. DI. XII (Heidelberg) nr. 2.
39) Vgl. die Belege für die Nennung des Namens Hildebertus bei nr. 2.
40) Ligatur ME auch bei der um 1009/1135 entstandenen Willigis-Tür des Mainzer Doms: DI. II (Mainz) nr. 5
und nr. 10. - Vgl. auch ebd. nr. 17 zur Ligatur ME und zur Kürzung MAR für martias.
41) Vgl. diener. 51, 91.
42) Vgl. DI. XII (Heidelberg) nr. 100 (1451); ein Grabstein aus dem Jahre 1456/57 in gotischer Majuskel findet sich
im Unterlinden-Museum zu Colmar. Vgl. P.Schmitt, Katalog des Unterlinden-Museums zu Colmar (1964) S. 27f.
43) Vgl. nr. 3 2; in der älteren Literatur ist die Inschrift eben wegen dieser nicht streng unterschiedenen Verwendung
des gleichen Models immer verlesen worden.
44) Vgl. Bauer, Mainzer Epigraphik S. 3 8 ff. u.ö. Eine anderslautende Beobachtung aber schon bei Lutz, Rothen-
burg S. 37: „eine Entwicklung innerhalb dieses Schrifttyps ist nicht fcstzustcllcn“.
4ä) Vgl. nr. 17. - Diese Inschrift widerspricht den Beobachtungen von Bauer, Epigraphik, der aus dem Auftreten
und Verschwinden einzelner Formen zeitliche Eingrenzungen erkennen will: „Die Inschrift (Bronzetaufbecken von
1328) hat sogar noch das trapezförmige A und das Kapital-N, die von den gleichzeitigen Steininschriften schon
verschwunden sind“ (S. 38). „Nur von V und T erhielten sich die Kapital- und die Unzialform nebeneinander, aber
auch sie wechseln kaum innerhalb einer Inschrift“ (S. 39). Das hier vorgelegte Material widerspricht dieser Festlegung
deutlich.
XVIII
in ihrer technischen Ausführung eng an die auf dem Heiligenberg im Bereich des ehemaligen Stephansklo-
sters gefundene Hazecha-Inschrift, die heute im Heidelberger Kurpfälzischen Museum verwahrt wird38).
Der aus diesem Vergleich gewonnene Zeitansatz entspricht der Nennung des Namens Hildebertus in
Lorscher Urkunden39). Die abgeknickte Form der Querleiste des A und die sehr stark schräg gestellten
Hasten des M fallen auf; Ligaturen und Kürzungen entsprechen der Zeit40).
Die gotische Majuskel
Die gotische Majuskel ist sowohl im Raume des ehemaligen Landkreises Mannheim als auch im süd-
lichen Bereich des neuen Rhein-Neckar-Kreises reich und vielfältig vertreten. Sie setzt mit dem ausgehen-
den 13. Jahrhundert ein und hat letzte Vertreter noch 1459 in Weinheim und noch 1502 in Ladenburg41).
Dieses „verspätete“ Auftreten der gotischen Majuskel zu einer Zeit, wo sonst bereits überall die gotische
Minuskel die herrschende Schriftart in der Monumentalschrift ist, wirkt zunächst befremdlich, sollte aber
nicht dazu führen, diese Schriftformen bereits als „historisierend“ zu qualifizieren. Das würde einen bewuß-
ten Rückgriff auf eine als überlebt betrachtete Epoche der Schriftgcstaltung implizieren, der hier sicher
nicht gegeben ist. Es finden sich in der Monumentalschrift immer wieder Beispiele fiir eine verzögerte
Annahme neuer Gestaltungselemente, weil alte Vorlagen, handwerkliche Tradition und persönlicher
Geschmack des Auftraggebers in stärkerem Maße die Ausführung bestimmen als dies bei geschriebenen
Schriften der Fall ist. Steine in gotischer Majuskel sind bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts und noch
darüber hinaus in allen Gebieten gelegentlich zu finden, auch wenn sich die gotische Minuskel generell
durchgesetzt hatte42).
Die Erscheinungsformen der gotischen Majuskel differieren in der spezifischen Ausführung beträchtlich.
Es überwiegt die mehr quadratische, „breite“ Form (Verhältnis von Höhe zu Breite 1:1) gegenüber der
erst später auftretenden gestreckteren Form (Verhältnis von Höhe zu Breite 2:1). Der Buchstabenbestand
ist schon bei dem ersten der im Bearbeitungsgebiet überlieferten Stein aus dem Jahre 1293 fixiert (nr. 6)
und unterliegt keinen nennenswerten Veränderungen mehr: A zeigt einen weit nach links übergreifenden
Dcckstrich, C, D und E haben die sogenannte „geschlossene“ Form, N, T und U sind sowohl in kapitaler
als auch in unzialer Ausführung gebraucht. Das unziale M zeigt 1293 in Weinheim bereits die ganz geschlos-
sene Form mit Fußstrich, es entspricht genau der Bildung des unzialen E. Diese Form wiederholt sich
auf einer (undatierten) Ladenburger Glocke mit Majuskelinschrift, wo offenbar für beide Buchstaben
gleiche Model verwendet sind und mehrmals beim M die 45°-Drehung versäumt wurde, was der Lesung
der Inschrift beträchtliche Schwierigkeiten bereitete43). Entgegen mancher anderen Beobachtung läßt sich
am hier vorliegenden Material eine Entwicklung der Einzelbuchstaben - etwa vom offenen zum geschlos-
senen C, E oder AL - nicht feststellen, ebensowenig wie eine völlige Verdrängung kapitaler zugunsten un-
zialer Formen44 *). Was sich ändert, ist der Gesamtcharakter der Schrift, die in der Frühzeit eine linear flie-
ßende Form zeigt, die später zugunsten einer ornamental flächigen Form zurücktritt. Für den letzteren
Charakter ist die in deutscher Sprache abgefaßte Gründungsinschrift des Deutschordenshauses in Wein-
heim aus dem Jahre 1350 ein sehr typisches Beispiel, wo jeder Buchstabe in seinen verschiedensten Varian-
ten (AL begegnet kapital, unzial geschlossen und unzial halboffen, N kapital und unzial, ebenso F, V und
T, A hat drei variierte Formen) für sich als Schmuckelement gestaltet ist46). Ähnliche Variationsbreite
und Flächigkeit zeigen die Inschriften von 1357 aus Mannheim-Neckarau (nr. 19) und die leider nur sehr
38) Vgl. DI. XII (Heidelberg) nr. 2.
39) Vgl. die Belege für die Nennung des Namens Hildebertus bei nr. 2.
40) Ligatur ME auch bei der um 1009/1135 entstandenen Willigis-Tür des Mainzer Doms: DI. II (Mainz) nr. 5
und nr. 10. - Vgl. auch ebd. nr. 17 zur Ligatur ME und zur Kürzung MAR für martias.
41) Vgl. diener. 51, 91.
42) Vgl. DI. XII (Heidelberg) nr. 100 (1451); ein Grabstein aus dem Jahre 1456/57 in gotischer Majuskel findet sich
im Unterlinden-Museum zu Colmar. Vgl. P.Schmitt, Katalog des Unterlinden-Museums zu Colmar (1964) S. 27f.
43) Vgl. nr. 3 2; in der älteren Literatur ist die Inschrift eben wegen dieser nicht streng unterschiedenen Verwendung
des gleichen Models immer verlesen worden.
44) Vgl. Bauer, Mainzer Epigraphik S. 3 8 ff. u.ö. Eine anderslautende Beobachtung aber schon bei Lutz, Rothen-
burg S. 37: „eine Entwicklung innerhalb dieses Schrifttyps ist nicht fcstzustcllcn“.
4ä) Vgl. nr. 17. - Diese Inschrift widerspricht den Beobachtungen von Bauer, Epigraphik, der aus dem Auftreten
und Verschwinden einzelner Formen zeitliche Eingrenzungen erkennen will: „Die Inschrift (Bronzetaufbecken von
1328) hat sogar noch das trapezförmige A und das Kapital-N, die von den gleichzeitigen Steininschriften schon
verschwunden sind“ (S. 38). „Nur von V und T erhielten sich die Kapital- und die Unzialform nebeneinander, aber
auch sie wechseln kaum innerhalb einer Inschrift“ (S. 39). Das hier vorgelegte Material widerspricht dieser Festlegung
deutlich.
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