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Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 16: Heidelberger Reihe ; Band 6: Die Inschriften des Rhein-Neckar-Kreises ; 2): Ehemaliger Landkreis Mannheim, ehemaliger Landkreis Sinsheim (nördlicher Teil) — München: Druckenmüller, 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.52967#0025
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das erste Beispiel dieser Schriftgattung im Kloster Lobenfeld nachweisbar ist. Die Anbringung dieser In-
schrift auf einem Säulensegment befremdet zunächst; sie kommt in der Galluskirche noch ein zweites
Mal im Jahre 1479 vor56 57). Die Anbringung der Inschrift auf einer gewölbten Schriftfläche ist vielleicht
mit der Grund dafür, daß die Schrift relativ ungekonnt wirkt, fast unbeholfen, obwohl die formalen Ele-
mente der Minuskelschrift mit ihren Kürzungen vertraut sind. Die Buchstaben stehen vereinzelt und nicht
korrekt in der Zeile, es entsteht kein repräsentatives Bild für eine Minuskel der Monumentalschrift. Deren
spezifische Gestaltung entspricht dem Textura-Charakter der Buchschrift, mit dem sie vielfach die Auf-
lösung der Einzelbuchstaben in ihre Schäfte gemeinsam hat, die zur Entstehung eines gitterartigen Schrift-
bandes führt. Manche Schriften sind dadurch sehr schwer lesbar, zumal dann, wenn noch keine Versalien
die Schrift gliedern und auf lockern. Einige Grabsteine aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts bieten
dafür sehr gutes Anschauungsmaterial: der auch in seiner querrechteckigen äußeren Form bemerkenswerte
Wappengrabstein aus Hilsbach aus dem Jahre 1405 (nr. 215), ein Grabstein des Jahres 1421 aus Neckar-
bischofsheim (nr. 223) und in sehr extremer Form die leider fragmentarische Grabschrift des Eberhard
von Heimstatt des Jahres 1427 (nr. 225), die in erhabener Schrift mit überaus mageren Buchstaben zwischen
Stegen gearbeitet ist und fast an Metallgußschriften erinnert67). Seit dem ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhun-
derts schon wird die Minuskel durch Initialen aufgelockert, die zunächst aus dem Buchstabenbestand der
gotischen Majuskel übernommen werden. Anfangs (1405, nr. 216) sind diese Initialen schlicht und be-
schränken sich auf das formularbedingte A am Beginn der Inschrift, gelegentlich auf Eigennamen. Erst
gegen Mitte des 15. Jahrhunderts werden bei aufwendigen Denkmälern auch die Minuskelschriften indi-
vidueller gestaltet. Eine sehr reich durch Versalien gegliederte Minuskel-Inschrift mit Großschreibung fast
jeden Wortes zeigt die Grabschrift Sickingen-Dalberg von 1458/69 in Ladenburg (nr. 58). Die Versalien
gehen hier vielleicht auf Vorlagen von Initialalphabeten der Schreibschrift (Lombarden) zurück58). Zur
gleichen Zeit werden für Versalien auch schon vergrößerte Minuskelbuchstaben verwendet (nr. 235, Sins-
heim) und 1468 zeigt ein Stein wohl gleicher Provenienz in seinen Versalien A, B, M, O und W so reich
ausgestaltete Versalien, daß man unbedingt genaue handschriftliche Vorlagen - vielleicht rubrizierte Ini-
tialen - annehmen muß59). Als letzte Möglichkeit schließlich werden auch reine Kapitalisbuchstaben als
Initialbuchstaben für Minuskelschriften verwendet; da die Minuskel im Bearbeitungsgebiet bis zur Mitte
des 16. Jahrhunderts neben den Kapitalisinschriften verwendet wurde, ist eine Übernahme einzelner Buch-
staben zur Auszeichnung naheliegend. Bei einem Weinheimer Denkmal treten A und R als rein kapitale
Formen in einer Minuskelschrift auf (1495/1512, nr. 98).
Für Glockeninschriften ist die Gotische Minuskel bereits seit 1418 (nr. 221) verwendet worden und
hat bis zum 16. Jahrhundert zahlreichen Glockengießern des heimischen Raumes (zu nennen sind vor allem
Peter zur Glocken und Bernhard Lachamann) gedient. Die letzte Glocke im Bearbeitungsgebiet ist 1533
datiert (nr. 269). Die älteste Glocke zeigt noch die eigenartige Arbeitsweise früher Gießer, bei denen die
einzelnen Buchstaben (hier die einzelnen Wörter) wie auf kleinen Rechtecken erhaben aufsitzen60). Die
Gießerei der Lachamann in Heilbronn zeigt auf den beiden Flinsbacher Glocken von 1490 und 1519 ihr
typisches Alphabet mit breitauslaufenden Minuskeln, dem Tatzenkreuz am Beginn und den paragraphen-
förmigen Zeichen zwischen den Wörtern. Eleganter und formschöner ist die Minuskel aus der Werkstatt
des Peter zur Glocken in Speyer, die für Schwetzingen, Eschelbach, Eichtersheim und Ladenburg gegossen
hat61).
Zu berücksichtigen sind schließlich noch die Minuskelschriften der Dührener Glasgemälde (nr. 249
und nr. 250), die auf 1497 datiert sind. Die stark gekürzte und durch nicht einheitlich verwendete Versalien
gegliederte Schrift hat den „gitterartigen“ Textura-Charakter mit fadenförmig ausgezogenen Unterlängen
bei y und h und den An- und Abstrichen des 5. Gleiche Zierfäden begleiten die Linienführung der Versalien;
die Oberlängen von b, h und / sind gespalten.
Die Fraktur
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts tritt auch in der Monumentalschrift ein neues Gestaltungselement
auf: die seit dem Beginn des Jahrhunderts als Drucktype rezipierte Fraktur, die sich seit ihrer ersten Anwen-
56) Vgl. nr. 67, ferner nr. 79.
57) Zu vergleichen sind die Abbildungen in DI. XIII (Nürnberg) nr. 6, nr. 14, nr. 24, nr. 41.
58) Über die Zusammenhänge von Schreibmeisterblättern und -büchern und epigraphischcr Schriftgestaltung
s. Zahn, Epigraphik S. 80 ff.
59) Ebd. 84 und 85 mit dem Beispiel einer „entworfenen“ Schrift für eine Erneuerungsinschrift eines Schloßbaues
aus dem Jahre 1624. Papierpausen für besonders sorgfältig ausgeführte Schriften und insbesondere für Versalien wird
man schon im 15. Jahrhundert als technisches Verfahren gekannt und angewendet haben.
80) Das Verfahren ist meist nur bei den Majuskelglocken des 14. und frühen 15.Jahrhunderts angewendet wor-
den. Ein spätes Beispiel bietet DI. V (München) nr. 78 mit einer 1490 in Regensburg gegossenen Minuskclglockc.
sl) Vgl. die nrr. 69, 93, 241, 253.

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