düng für die Prachtdrucke Kaiser Maximilians allmählich als führende Gebrauchsschrift im Buchdruck
durchsetzte62). Im Vergleich zur gotischen Minuskel können als typisch gelten das einstöckige a, die Un-
terlängen von f und langem s und das mandelförmige o, vor allem aber die „Schwellformen“ einzelner
Buchstaben, deren Übernahme in die Monumentalschrift allerdings materialbedingte Grenzen gesetzt zu
sein scheinen, so daß die Gleichsetzung der Letternfraktur mit einer Fraktur in der Monumentalschrift
nur mit sehr starken Vorbehalten geschehen kann63).
Eine einzige Inschrift im Bearbeitungsgebiet zeigt eine Fraktur, die so vollendet ausgebildet ist, daß
man eine Drucktype oder eine handschriftliche Vorlage als Muster annehmen möchte: nr. 115 aus Wein-
heim, kurz nach 1550 zu datieren. Einmal mehr zeigt sich hier, daß und wie sehr Schriftgestaltung in der
Epigraphik von handwerklichem Können abhängig ist. Der Stein muß nach einem sehr genauen Riß in
einer guten Werkstatt angefertigt worden sein, die dann auch über entsprechende Schriftmusterbücher
verfügte. Die erhaben ausgemeißelte Umschrift und die Bogeninschrift sind von gleicher Hand. Die
Versalien sind individuell gestaltet und ein Vergleich mit den um diese Zeit entstandenen Bronzeepitaphien
liegt nahe64 6).
Sehr gute Qualität in der formalen Ausführung zeigen auch die gegen Ende des Untersuchungszeit-
raumes entstandenen Schriften nr. 171 (1605, Ladenburg), die nrr. 158, 167 (1595 und 1600, Weinheim),
nr. 177 (1608, Schwetzingen) und nr. 192 (1623, Mannheim), ohne daß sich - außer für die beiden Ulner-
Steine aus Weinheim - Werkstattzusammenhänge evident machen ließen. Alle anderen im Bearbeitungs-
gebiet erhaltenen Frakturschriften - 23 von 289 original überlieferten Inschriften - halten sich demgegenüber
im hergebrachten Rahmen eines ländlichen Gebietes ohne hervorragendes kulturelles Zentrum. Ausge-
sprochene Unsicherheit in den neuen Schriftformen zeigt nr. 119 aus Weinheim aus dem Jahre 1554, die
man eher als Kursiv-Schrift denn als eine - sicher angestrebte - Fraktur ansprechen möchte. 1592 hat
man ebenfalls in Weinheim eine Fraktur-Inschrift mit Kapitalis-Versalien gehauen (nr. 154), und die kaum
noch als Fraktur-Schrift zu klassifizierende Inschrift nr. 198 (1587, Eichtersheim) hat wiederum sehr starke
kursive Elemente in sich aufgenommen, Zeugnis eher für Unsicherheit und mangelnde Vertrautheit mit
handwerklicher Schriftgestaltung als für eigenwillige und selbständige Tätigkeit. Wenn Zahn die Fraktur
als die differfenzierteste und individuellste Monumentalschrift des 16. Jahrhunderts bezeichnet66), so muß
ihre Verbreitung zwangsläufig da besonders ausgedehnt sein, wo fähige Werkstätten ihre Ausführung
übernehmen konnten. Es ist tatsächlich zu beobachten, daß die Fraktur als Monumentalschrift nur da in
größerem Ausmaß rezipiert wird, wo diese Voraussetzungen gegeben waren. Nicht umsonst erlangte sie
in Nürnberg und Rothenburg weite Verbreitung, während die Stadt Fritzlar keine einzige Frakturinschrift
unter über 200 original erhaltenen Stücken aufzuweisen hat. Ähnliche Beobachtungen wurden in den
überwiegend ländlichen Bearbeitungsgebieten des Burgenland-Bandes und des Niederösterreich-Bandes
bereits gemacht: die Fraktur bleibt zahlenmäßig gegenüber der Kapitalschrift der Renaissance weit in
der Minderheit, weil die geraden Schriftzüge einer Antiqua einem weniger geschulten Handwerker we-
niger Schwierigkeiten boten als die komplizierteren Schriftzüge der Fraktur68).
62) Für die Ursprünge der Fraktur, die hier nicht zu erörtern sind, ist Zahn, Epigraphik S. 6ff. zu vergleichen.
63) Die durchgängige Klassifizierung „Inschriften-Fraktur“ im Katalogteil trägt dieser Sachlage Rechnung,
ohne allerdings voll befriedigen zu können.
64) Für verwandte Schreibschriften vgl. Wehmer, a.a. O. Taf. 24; Fugger, Schreibbüchlein S. 60 und 61; bei der
Fuggerschen Schriftprobe ist - wie auf dem Ulner-Stein - der erste Bogen des w unten nicht geschlossen.
°5) So Zahn, Epigraphik S. 86.
6S) DI. III (Burgenland) S. 5. In diesem Band stehen 90 Kapitalis-Inschriften 15 Fraktur-Inschriften gegenüber,
im Niederösterreich-Band DI. X beträgt das Verhältnis 151:53.
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durchsetzte62). Im Vergleich zur gotischen Minuskel können als typisch gelten das einstöckige a, die Un-
terlängen von f und langem s und das mandelförmige o, vor allem aber die „Schwellformen“ einzelner
Buchstaben, deren Übernahme in die Monumentalschrift allerdings materialbedingte Grenzen gesetzt zu
sein scheinen, so daß die Gleichsetzung der Letternfraktur mit einer Fraktur in der Monumentalschrift
nur mit sehr starken Vorbehalten geschehen kann63).
Eine einzige Inschrift im Bearbeitungsgebiet zeigt eine Fraktur, die so vollendet ausgebildet ist, daß
man eine Drucktype oder eine handschriftliche Vorlage als Muster annehmen möchte: nr. 115 aus Wein-
heim, kurz nach 1550 zu datieren. Einmal mehr zeigt sich hier, daß und wie sehr Schriftgestaltung in der
Epigraphik von handwerklichem Können abhängig ist. Der Stein muß nach einem sehr genauen Riß in
einer guten Werkstatt angefertigt worden sein, die dann auch über entsprechende Schriftmusterbücher
verfügte. Die erhaben ausgemeißelte Umschrift und die Bogeninschrift sind von gleicher Hand. Die
Versalien sind individuell gestaltet und ein Vergleich mit den um diese Zeit entstandenen Bronzeepitaphien
liegt nahe64 6).
Sehr gute Qualität in der formalen Ausführung zeigen auch die gegen Ende des Untersuchungszeit-
raumes entstandenen Schriften nr. 171 (1605, Ladenburg), die nrr. 158, 167 (1595 und 1600, Weinheim),
nr. 177 (1608, Schwetzingen) und nr. 192 (1623, Mannheim), ohne daß sich - außer für die beiden Ulner-
Steine aus Weinheim - Werkstattzusammenhänge evident machen ließen. Alle anderen im Bearbeitungs-
gebiet erhaltenen Frakturschriften - 23 von 289 original überlieferten Inschriften - halten sich demgegenüber
im hergebrachten Rahmen eines ländlichen Gebietes ohne hervorragendes kulturelles Zentrum. Ausge-
sprochene Unsicherheit in den neuen Schriftformen zeigt nr. 119 aus Weinheim aus dem Jahre 1554, die
man eher als Kursiv-Schrift denn als eine - sicher angestrebte - Fraktur ansprechen möchte. 1592 hat
man ebenfalls in Weinheim eine Fraktur-Inschrift mit Kapitalis-Versalien gehauen (nr. 154), und die kaum
noch als Fraktur-Schrift zu klassifizierende Inschrift nr. 198 (1587, Eichtersheim) hat wiederum sehr starke
kursive Elemente in sich aufgenommen, Zeugnis eher für Unsicherheit und mangelnde Vertrautheit mit
handwerklicher Schriftgestaltung als für eigenwillige und selbständige Tätigkeit. Wenn Zahn die Fraktur
als die differfenzierteste und individuellste Monumentalschrift des 16. Jahrhunderts bezeichnet66), so muß
ihre Verbreitung zwangsläufig da besonders ausgedehnt sein, wo fähige Werkstätten ihre Ausführung
übernehmen konnten. Es ist tatsächlich zu beobachten, daß die Fraktur als Monumentalschrift nur da in
größerem Ausmaß rezipiert wird, wo diese Voraussetzungen gegeben waren. Nicht umsonst erlangte sie
in Nürnberg und Rothenburg weite Verbreitung, während die Stadt Fritzlar keine einzige Frakturinschrift
unter über 200 original erhaltenen Stücken aufzuweisen hat. Ähnliche Beobachtungen wurden in den
überwiegend ländlichen Bearbeitungsgebieten des Burgenland-Bandes und des Niederösterreich-Bandes
bereits gemacht: die Fraktur bleibt zahlenmäßig gegenüber der Kapitalschrift der Renaissance weit in
der Minderheit, weil die geraden Schriftzüge einer Antiqua einem weniger geschulten Handwerker we-
niger Schwierigkeiten boten als die komplizierteren Schriftzüge der Fraktur68).
62) Für die Ursprünge der Fraktur, die hier nicht zu erörtern sind, ist Zahn, Epigraphik S. 6ff. zu vergleichen.
63) Die durchgängige Klassifizierung „Inschriften-Fraktur“ im Katalogteil trägt dieser Sachlage Rechnung,
ohne allerdings voll befriedigen zu können.
64) Für verwandte Schreibschriften vgl. Wehmer, a.a. O. Taf. 24; Fugger, Schreibbüchlein S. 60 und 61; bei der
Fuggerschen Schriftprobe ist - wie auf dem Ulner-Stein - der erste Bogen des w unten nicht geschlossen.
°5) So Zahn, Epigraphik S. 86.
6S) DI. III (Burgenland) S. 5. In diesem Band stehen 90 Kapitalis-Inschriften 15 Fraktur-Inschriften gegenüber,
im Niederösterreich-Band DI. X beträgt das Verhältnis 151:53.
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