XII
Vorwort.
dann auch die iura canonica und die Einrichtungen der evangelischen Kirche verglichen werden
können, „quod, quantum fieri potuit, in hoc tractatu tentavi, sed ob defectum tot ordinationum
ecclesiasticarum ea, qua debeat, ubertate praestare, non potui“. Aber auch eine Geschichte der
Kirchen-Ordnungen sei durchaus erstrebenswerth , „qua opera id efficeretur, ut in quantum res
ecclesiasticae in melius formatae, mutatae, vel aliquando deterioratae essent, inde constaret“.
Cramer beschäftigte sich mit der Geschichte des Entstehens und der Veränderungen
der Liturgie. Dies brachte ihn auf den Gedanken, zunächst das Material zu sammeln.
Moser verfolgte wesentlich praktische Zwecke: die Kirchen-Ordnungen abzudrucken,
weil sie selten seien, schwer erhältlich und doch von Gelehrten und von rechtsprechenden
Collegien (insbesondere Spruchfacultäten) häufig benutzt werden müssten. Vgl. seine lang-
athmigen Vorreden zu den beiden Bänden, insbesondere diejenige zu Band 2, in welcher
er sich gegen einen Recensenten vertheidigt, der die Überflüssigkeit des Abdruckes be-
hauptet hatte.
In unserem Jahrhundert traten die Verfassungsfragen in den Vordergrund des Interesses.
Aufgabe der Wissenschaft, war es, die historischen Grundlagen darzulegen und daraus die prak-
tischen Consequenzen für die Gegenwart zu ziehen. Diesem Streben entsprachen die Arbeiten
Aemil. Ludwig Richter’s: seine bahnbrechende Schrift über die Geschichte der evan-
gelischen Kirchenverfassung (Leipzig 1851), und die Grundlage für diese Geschichte, die Samm-
lung der Evangelischen Kirchen-Ordnungen, von welcher der erste Band 1845 das Licht erblickte.
Dies ist zugleich die erste, wirklich nennenswerthe Sammlung der Kirchen-Ordnungen.
Als die einzige, welche den Text der wichtigsten Ordnungen dem gelehrten Publikum zugängig
machte, hat sie überaus anregend und fruchtbringend für alle Gebiete der kirchenrechtlichen
und kirchenhistorischen Forschung gewirkt. Es sei daher ferne von mir, das Verdienst jenes
grossen Mannes irgendwie schmälern zu wollen. Es unterliegt aber heute keinem Zweifel mehr,
dass die Arbeit Richter’s den modernen wissenschaftlichen Anforderungen nicht mehr ent-
spricht. Ein näheres Eingehen auf die Mängel der Richter’sehen Sammlung wird uns zu-
gleich die Grundsätze zeigen, welche bei einer Ausgabe zu beachten sind.
Vor allen Dingen ist hier zu nennen die Beschränkung, welche Richter sich selbst
auferlegte, indem er im Wesentlichen nur die verfassungsrechtlichen Bestimmungen zum Ab-
druck brachte. Für alle auf anderen ,Gebieten des kirchlichen Lebens, wie Lehre, Kultus,
Liturgie, Zucht, Schule, Armenwesen, Krankenwesen Arbeitenden ist Richter nutzlos: sie sind
nach wie vor auf die ungefügige Masse der überall zerstreuten Ordnungen angewiesen. Aber
selbst für Diejenigen, welche, auf dem Gebiete des eigentlichen Kirchenrechts, insbesondere des
Verfassungsrechts, thätig sind, ist Richter’s Sammlung ein wissenschaftlich keineswegs mehr
ausreichendes Hilfsmittel.
Seit Richter’s Sammlung sind neue Urkunden gefunden, neue Hilfsmittel zur Auf-
findung und Erforschung der Kirchen-Ordnungen geschaffen worden. Ist doch die historische
Forschung für das Zeitalter der Reformation gerade in unseren Tagen kräftiger denn je auf-
geblüht; ich brauche kaum daran zu erinnern, welch’ reichen Segen für die Lokalgeschichte
(und damit auch für die Ordnungen) die Anregung des Luther-Jubiläums gebracht hat.
Aber selbst wenn dieses nicht der Fall wäre, würde Richter heute keineswegs genügen.
Richter hat überhaupt nur die (für seine Pläne!) wichtigsten Ordnungen ganz ab-
gedruckt, andere nur im Auszuge, von anderen nur den Titel, und von sehr vielen nicht einmal
diesen erwähnt. Selbst bei den für ihn wichtigsten finden sich überall Auslassungen und Ver-
weisungen auf andere Kirchen-Ordnungen, mit denen wörtliche Übereinstimmung vorliegen soll;
vollständig ist kaum eine einzige Ordnung abgedruckt. Wo Richter von einem erschöpfenden
Abdruck spricht, ist derselbe doch recht lückenhaft. Man vgl. z. B. über die so wichtige Braun-
Vorwort.
dann auch die iura canonica und die Einrichtungen der evangelischen Kirche verglichen werden
können, „quod, quantum fieri potuit, in hoc tractatu tentavi, sed ob defectum tot ordinationum
ecclesiasticarum ea, qua debeat, ubertate praestare, non potui“. Aber auch eine Geschichte der
Kirchen-Ordnungen sei durchaus erstrebenswerth , „qua opera id efficeretur, ut in quantum res
ecclesiasticae in melius formatae, mutatae, vel aliquando deterioratae essent, inde constaret“.
Cramer beschäftigte sich mit der Geschichte des Entstehens und der Veränderungen
der Liturgie. Dies brachte ihn auf den Gedanken, zunächst das Material zu sammeln.
Moser verfolgte wesentlich praktische Zwecke: die Kirchen-Ordnungen abzudrucken,
weil sie selten seien, schwer erhältlich und doch von Gelehrten und von rechtsprechenden
Collegien (insbesondere Spruchfacultäten) häufig benutzt werden müssten. Vgl. seine lang-
athmigen Vorreden zu den beiden Bänden, insbesondere diejenige zu Band 2, in welcher
er sich gegen einen Recensenten vertheidigt, der die Überflüssigkeit des Abdruckes be-
hauptet hatte.
In unserem Jahrhundert traten die Verfassungsfragen in den Vordergrund des Interesses.
Aufgabe der Wissenschaft, war es, die historischen Grundlagen darzulegen und daraus die prak-
tischen Consequenzen für die Gegenwart zu ziehen. Diesem Streben entsprachen die Arbeiten
Aemil. Ludwig Richter’s: seine bahnbrechende Schrift über die Geschichte der evan-
gelischen Kirchenverfassung (Leipzig 1851), und die Grundlage für diese Geschichte, die Samm-
lung der Evangelischen Kirchen-Ordnungen, von welcher der erste Band 1845 das Licht erblickte.
Dies ist zugleich die erste, wirklich nennenswerthe Sammlung der Kirchen-Ordnungen.
Als die einzige, welche den Text der wichtigsten Ordnungen dem gelehrten Publikum zugängig
machte, hat sie überaus anregend und fruchtbringend für alle Gebiete der kirchenrechtlichen
und kirchenhistorischen Forschung gewirkt. Es sei daher ferne von mir, das Verdienst jenes
grossen Mannes irgendwie schmälern zu wollen. Es unterliegt aber heute keinem Zweifel mehr,
dass die Arbeit Richter’s den modernen wissenschaftlichen Anforderungen nicht mehr ent-
spricht. Ein näheres Eingehen auf die Mängel der Richter’sehen Sammlung wird uns zu-
gleich die Grundsätze zeigen, welche bei einer Ausgabe zu beachten sind.
Vor allen Dingen ist hier zu nennen die Beschränkung, welche Richter sich selbst
auferlegte, indem er im Wesentlichen nur die verfassungsrechtlichen Bestimmungen zum Ab-
druck brachte. Für alle auf anderen ,Gebieten des kirchlichen Lebens, wie Lehre, Kultus,
Liturgie, Zucht, Schule, Armenwesen, Krankenwesen Arbeitenden ist Richter nutzlos: sie sind
nach wie vor auf die ungefügige Masse der überall zerstreuten Ordnungen angewiesen. Aber
selbst für Diejenigen, welche, auf dem Gebiete des eigentlichen Kirchenrechts, insbesondere des
Verfassungsrechts, thätig sind, ist Richter’s Sammlung ein wissenschaftlich keineswegs mehr
ausreichendes Hilfsmittel.
Seit Richter’s Sammlung sind neue Urkunden gefunden, neue Hilfsmittel zur Auf-
findung und Erforschung der Kirchen-Ordnungen geschaffen worden. Ist doch die historische
Forschung für das Zeitalter der Reformation gerade in unseren Tagen kräftiger denn je auf-
geblüht; ich brauche kaum daran zu erinnern, welch’ reichen Segen für die Lokalgeschichte
(und damit auch für die Ordnungen) die Anregung des Luther-Jubiläums gebracht hat.
Aber selbst wenn dieses nicht der Fall wäre, würde Richter heute keineswegs genügen.
Richter hat überhaupt nur die (für seine Pläne!) wichtigsten Ordnungen ganz ab-
gedruckt, andere nur im Auszuge, von anderen nur den Titel, und von sehr vielen nicht einmal
diesen erwähnt. Selbst bei den für ihn wichtigsten finden sich überall Auslassungen und Ver-
weisungen auf andere Kirchen-Ordnungen, mit denen wörtliche Übereinstimmung vorliegen soll;
vollständig ist kaum eine einzige Ordnung abgedruckt. Wo Richter von einem erschöpfenden
Abdruck spricht, ist derselbe doch recht lückenhaft. Man vgl. z. B. über die so wichtige Braun-