Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0044
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
16

Martin Luther. II. Taufordnungen.

zuchtig zugehe, nicht man und weib, sondern die
weiber nach den mennern, darumb sie auch von
einander an sondern orten stehen sollen. Wie
man sich aber mit der heimlichen beicht halten
solle, hab ich sonst gnug geschrieben, und man
findet meine meinunge im betbuchlin.
Das aufheben wollen wir nicht abthun son-
dern behalten, darumb das es fein mit dem deud-
schen sanctus stimmet und bedeut, das Christus
befolhen hat, sein zugedencken. Denn gleich
wie das sacrament wird leiblich aufgehaben und
doch drunter Christus leib und blut nicht wird
gesehen, also wird durch das wort der predigt
seiner gedacht und erhaben, dazu mit empfahung
des sacraments bekand und hoch gehret und doch
alles im glauben begriffen und nicht gesehen wird,
wie Christus sein leib und blut fur uns gegeben
und noch teglich fur uns bei gott, uns gnade
zurlangen, zeiget und opfert.
Das deudsch Sanctus.
Jesaia dem propheten das geschach, das er
im geist den herren sitzen sach. (Jes. 6,
1-4).
Darnach folget die collecten mit dem segen.
Wir dancken dir, almechtiger herre gott, das
du uns durch dise heilsame gabe hast erquicket
und bitten deine barmherzigkeit, das du uns
solchs gedeien lassest zu starckem glauben gegen
dir und zu brinstiger liebe unter uns allen, umb
Jhesus Christus unsers herrn willen. Amen.
Der herr segene dich und behute dich.
Der herr erleuchte sein angesicht ubir dir
und sei dir gnedig.
Der herr hebe sein angesicht auf dich und
gebe dir frid.
Exercitatio oder ubunge der melo-
deien.
Auf das man sich wol lerne schicken in
melodeien und wol gewone den colon, comaten
und der gleichen pausen, setze ich hie noch ein
exempel. Ein ander mag ein andere nemen.
[Als Beispiel dienen 1. Cor. 4, 1—8; Ev.
Mat. 6, 24—34.]
Das sei gesagt vom teglichen gottis dienst
und vom wort gottis zu leren, allermeist fur die
jugent auf zu zihen und fur die einfeltigen zu
reizen. Denn die ienigen so aus furwitz und
lust neuer dinge gerne zu gaffen, sollen solichs
alles gar balde müde und überdrüssig werden,
wie sie bisher auch in dem latinschen gottis
dienst gethan haben, da man in den kirchen
teglich gesungen und gelesen hat und dennoch die
kirchen wust und ledig blieben sind, und schon
bereit auch im deudschen thun. Darumb ists
das beste, das solcher gotts dienst auf die jugent

gestellet werde und auf die einfeltigen, so zufals
er zu komen. Es wil doch bei den andern wider
gesetz noch ordnung noch vermanen noch treiben
helfen, die las man faren, das sie williglich und
frei lassen im gotts dienst, was sie unwillig und
ungerne thun: Gott gefallen doch gezwungene
dienst nicht und sind vergeblich und verloren.
Aber mit den festen, als weinachten, ostern,
pfingsten, Michaelis, purificationis und der gleichen
mus es gehen wie bisher latinsch, bis man deudsch
gesang gnug dazu habe. Denn dis werk ist im
anheben, darumb ists noch nit alles bereit, was
dazu gehort, alleine das man wisse, wie es auf
einerlei weise solle und muge zugehen, das der
mancherlei weise rad und mass gefunden werde.
Die fasten, palmtag und marterwochen lassen
wir bleiben, nicht das wir jemand zu fasten
zwingen, sondern das die passion und die evan-
gelia, so auf die selbige zeit geordenet sind,
bleiben- sollen; doch nicht also, das man das
hunger tuch, palmen schiessen, bilde decken und
was des gauckel werks mehr ist, halten oder
vier passion singen oder acht stunden am kar-
freitag an der passion zu predigen haben, sonder
die marterwoche sol gleich wie ander wochen
sein, on das man die passion predige des tages
eine stunde durch die woche oder wie viel tage
es gelustet, und das sacrament neme wer do wil.
Denn es sol ja alles umb des worts und sacra-
menten willen unter den christen geschehen im
gotts dienst.
Summa, diser und aller ordnunge ist also zu
gebrauchen, das wo ein misbrauch draus wird,
das man sie fiux abthu und eine andere mache,
gleich wie der künig Ezechias die eherne schlange,
die doch gott selbs befolhen hatte zu machen,
darum zubrach und abthet, das die kinder Israel
derselbigen misbrauchten; denn die ordnung sollen
zu foderung des glaubens und der liebe dienen
und nicht zu nachteil des glaubens. Wenn sie nu
das nicht mehr thun, so sind sie schon thot und
abe und gelten nichts mehr, gleich als wenn ein
gute munze verfelscht, umb des misbrauchs willen
aufgehaben und geendert wird, oder als wenn die
neuen schuch alt werden und drucken, nicht mehr
getragen, sondern weg geworfen und ander ge-
kauft werden. Ordnung ist ein eusserlich ding,
sie sei wie gut sie will, so kan sie in mis-
brauch geraten. Denn aber ists nicht mehr ein
ordnung, sondern ein unordnung; darumb stehet
und gilt keine ordnung von ihr selbs etwas, wie
bis her die bepstliche ordnunge geachtet sind ge-
wesen, sondern aller ordnunge leben, wirde, kraft
und tugent ist der rechte brauch, sonst gilt sie
und taug gar nichts. Gotts geist und gnade sei
mit uns allen. Amen. Martinus Luther.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften