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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0085
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Die Fortbildung der Verfassung. Das Consistorium zu Wittenberg.

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entbehrlich machen. Dies bringt am deutlichsten ein von Jonas verfasstes Bedenken der
Wittenberger Theologen über die Errichtung von Consistorien, vom Jahre 1538 zum Ausdruck.
Mit demselben hat es folgende Bewandtniss.
Schon der Ausschusstag von Torgau 1537 schlug namentlich zur Erledigung der Ehe-
streitigkeiten die Errichtung mehrerer Consistorien vor. Im Auftrage des Fürsten wurde im
Jahre 1538 als Grundlage für das zu errichtende Consistorium ein Gutachten ausgearbeitet.
Betheiligt waren an der Ausarbeitung Justus Jonas, Cruciger, Bugenhagen, Melanchthon, die
Juristen Schürpf und Pauli. Als eigentlicher Verfasser darf wohl Jonas gelten. Nachdem es
von Luther und Brück einer Revision unterzogen war, wurde es dem Kurfürsten vorgelegt unter
dem Titel: „Der theologen bedenken von wegen der consistorien, so ufgericht sollen werden.“
Dasselbe ist abgedruckt in Zeitschr. für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft 4,
62 ff. (auch bei Richter, Gesch, der Kirchenverf., S. 82 ff.) nach dem Manuskript im Sächs.-
Ernest. Gesammtarchive zu Weimar. Nach Burkhardt, Gesch, der Visit., S. 202 fehlen jedoch
die Beiartikel. Vgl. auch Kawerau, Briefwechsel des Justus Jonas, S. 308.
Zur Charakterisirung dieses „Bedenkens“ und seiner Umgestaltung durch Luther vgl.
Mejer, Zum Kirchenr. des Reform. Jahrh., Hannover 1891 S. 20; Sohm, a. a. O. S. 616 ff.;
Rieker, a. a. O. S. 161 ff.
Während sich die Berathungen über das Bedenken hinzogen, wurde gewissermassen zur
Probe („zum Anfang“ sagt das kurfürstl. Reskript) das Consistorium zu Wittenberg in’s Leben
gerufen und eröffnete Anfang des Jahres 1539 seine provisorische Thätigkeit. Vgl. Bedenken
Brück’s vom Sonntag nach Ulrici, 6. Juli 1539 (Zeitschr. f. d. R. 4, 87) und Brief Luther’s
an Spalatin bei de Wette 5, 329. S. auch Burkhardt, a. a. O. S. 202. Vgl. auch Brief
des Jonas an Spalatin vom 7. Februar 1541 bei Kawerau, Briefwechsel des Jonas, Nr. 540.
Eine Darstellung der Schwierigkeiten, welche bei den Berathungen der Consistorial-O.
zu überwinden waren, würde hier zu weit führen. Ende des Jahres 1542 war der Entwurf der
Consistorial-O. fertig gestellt. Er ist eine Überarbeitung des Bedenkens von 1538. Die Ab-
weichungen hebt Mejer, Zum Kirchenrecht des Reformationsjahrhunderts, S. 48 ff. hervor.
Dieser Entwurf ist nicht als Gesetz publizirt worden.
Muther hat drei Exemplare des Entwurfes in Weimar gesehen. Vgl. darüber im Ein-
zelnen Mejer, Zum Kirchenrecht des Reformationsjahrhunderts, S. 56 ff. Ein vierter, diesen
nahestehender Entwurf ist inzwischen von Burkhardt in Weimar ermittelt worden. Ein
fünftes Exemplar habe ich in Dresden, H.St.A. Loc. 10532, Leipzigische Händel, Bl. 209 ff.
gesehen.
Ist die Consistorial-O. in formaler Beziehung auch nicht als Gesetz zu bezeichnen, so
steht doch fest, dass das Consistorium zu Wittenberg sich thatsächlich nach dieser O. gerichtet
hat. Vgl. Mejer, Zum Kirchenr., S. 58 ff. Darum verdient der Entwurf den Abdruck in dieser
Sammlung. Wir publiziren ihn nach dem Drucke, welchen Georg Buchholtzer im Jahre 1563
veranstaltete unter dem Titel „Constitution und Artikel des Geistlichen Consistorii zu Witten-
berg auf Befehl Weiland des Durchl. Hochg. Fürsten und Herrn Herrn Johanns Friedrichen
Fürsten zu Sachsen, des Heil. Rom. Reichs Erzmarschall .... durch Seine Churfürstlichen
Gnaden fürnehmste Theologen und Juristen gestellet A. D. 1542.“ [Ein Exemplar dieses ersten
Druckes von 1563 ist in der Kgl. Bibl, zu Dresden.]
Buchholtzer erzählt in der Vorrede, dass er im Jahre 1545 von seinem Landesherrn,
dem Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg, der ein Consistorium habe errichten wollen, nach
Wittenberg geschickt worden sei, um die dortige Consistorial-O. zu erbitten. Luther habe ihm
dieselbe abschriftlich mitgetheilt. Diese Abschrift lasse er jetzt im Drucke erscheinen. Im
Jahre 1555 habe ihn das Wittenberger Consistorium um Rücksendung gebeten, da ihm — dem
Consistorium — das Original in den Kriegsläuften verloren gegangen sei. (Hiernach ist es auch
Sehling, Kirchenordnungen. 8
 
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