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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0093
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Sorge für die reine Lehre. Consistorium zu Weimar 1561. Visitation 1562.

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III. Sorge für die reine Lehre. Consistorium zu Weimar 1561. Visitation 1562.
Ganz besonders bedacht war der Herzog auf Reinhaltung der Lehre.
Es brach jetzt für die lutherische Kirche die schwere Zeit der Lehrstreitigkeiten
herein. Letztere zu schildern ist nicht unsere Aufgabe. Das Ernestinische Sachsen wurde be-
kanntlich besonders stark in diese Bewegung hineingerissen. Man vgl. statt aller Anderen Geb-
hardt, a. a. O. 2, 179 ff.
Die Universität Jena wurde nach der Berufung von Flacius 1557 die Vorkämpferin
des strengen Lutherthums und die Hauptgegnerin der in Wittenberg und Leipzig vertretenen
Richtung.
Auf Veranlassung von Flacius publizirte der Herzog ein Bekenntniss gegen alle neueren
Lehrverderbnisse. Es wurden darin neun Ketzereien verurtheilt: Servet, die Wiedertäufer, Schwenk-
feld, die Antinomer, Zwingli, Osiander, Stankerus, Major, die Adiaphoristen. Diese Schrift er-
schien 1559 in Jena bei Thomas Rebart im Drucke unter dem Titel „Der durchl. hochgeborenen
Fürsten und Herrn, Herrn Johann Friedrichen des Mittleren, Herzogen zu Sachsen .... für
sich selbs und wegen seiner F. G. Brüdern Herzog Johans Wilhelmen, und Herzog Johans
Friedrichen des Jüngeren zu Sachsen...in Gottes worten...gegründete confuta-
tiones, widerlegungen und verdammung etlicher einzeit zuwider demselben gottes wort, und
heiliger schrifft, auch der Augsburgischen Confession Apologien, und den Schmalkaldischen
artikeln .... eingerissenen corruptelen, secten und irrthumen...“ (Die Publikation datirt
Coburg den 28. November 1558.) Das Buch wurde wie ein Symbol der Landeskirche bei strenger
Strafe vor geschrieben. Dasselbe gehört nicht in unsere Sammlung.
Die Streitigkeiten wurden aber durch das Confutationsbuch nicht verringert. Sie nahmen
eher noch zu. Übergriffe der Geistlichen in der Ausübung der Kirchenzucht verschärften die
Situation. So war z. B. der „christlichste“ Jurist Wesenbeck in Jena einst vom Taufstein
zurückgewiesen worden, weil er sich über das Confutationsbuch nicht erklären wollte. Man
suchte nun wieder nach Mitteln und Wegen, um die Handhabung des Bannes einzuschränken.
So hatte Johann Friedrich der Mittlere in einem Schreiben d. d. Weida den 22. August 1560
dem „Obersten Befehlshaber“ auf dem Grimmenstein den Auftrag gegeben, dem neuen Super-
intendenten bei der Einweisung einzuschärfen, dass er ohne ausdrücklichen fürstlichen Befehl
keine Exkommunikation verhängen solle (Consistorial-Archiv Gotha Loc. 19 Nr. 5). Schliesslich
kam der Landesherr auf den Gedanken zur Beseitigung der Lehrstreitigkeiten und der Über-
griffe der Geistlichen ein Consistorium in Weimar zu errichten. Dasselbe sollte allein über die
Lehre entscheiden und den Bann verhängen. Für dieses Consistorium erschien eine „Ordnung
und summarischer Prozess des fürstlichen Consistorii, aufgerichtet in dem Jar 1561. Getruckt
Jena 1561.“ Exemplare dieses Druckes befinden sich in Erlangen, Univ.-Bibl. Thl. 18, 73;
Jena, Univ.-Bibl. Thl. 37, 72 (3); Gotha, Staatsarchiv K.K. 3 (Vol. II) Nr. 59. Darnach erfolgt
unser Abdruck. (Nr. 17.)
Es ist erklärlich, dass diese Consistorial - Ordnung den Zorn der streitbaren Theo-
logen in hohem Maasse entfesselte. Auf den Kanzeln wurde gegen die Ordnung gepredigt.
Die Flacianer erklärten, die weltlichen Herren wollten dem Herrn Christus nach dem
Zügel greifen; sie bekämpften namentlich auch die Censur, welche das Consistorium aus-
üben sollte. Der Professor Strigel, welcher sich gegen das Confutationsbuch erklärt hatte,
wurde gefangen gesetzt. Nach einer Disputation zu Weimar im September 1560 neigte sich der
Herzog doch von den weitgehenden Ansichten des Flacius über die Erbsünde, als der eigent-
lichen Substanz des Menschen, wieder mehr Strigel zu, namentlich als dieser 1562 eine den
Herzog befriedigende Erklärung über die Erbsünde verfasst hatte, welche von lutherischen
Autoritäten gebilligt wurde. Zur Anerkennung dieser Strigel’schen Deklaration wurde eine
Sehling, Kirchenorduungen. 9
 
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