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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0100
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Ernestinisches Sachsen. Cap. V. 1572—1600. Weimarer Theil.

Die Synodi, von denen wir hier reden, sind keine berathenden oder beschliessenden Ver-
sammlungen, sondern sie dienen ausschliesslich Visitations- Zwecken. Deswegen wird auch oft
Synodus und Visitation gleichbedeutend gebraucht. So sagt die Leipziger Lätare-Conferenz 1544
(Sehling, Kirchen-Gesetzgebung unter Moritz von Sachsen, S. 127): „Der superattendent soll
uffs wenigste ein mal eines iden jahrs seines gezirches ein synodum und visitation halten , das
er alle pfarher und kirchendiener in das ampt gehörigk, dessgleichen die vom adel und die ge-
mein von den stedten, dorffern und flecken, sonderlich zu bescheidenen tagen neben dem ampt-
mann des orts vorlade. Und soll sich aldo mit vleis erkunden, wie ein jeder pfarher beide in
leren und leben geschigkt sei.“ Wie weiter ausgeführt wird, soll der Superintendent den Synodus
deshalb abhalten, weil er keine Zeit habe, sich überall hin persönlich zu begeben und an Ort
und Stelle zu visitiren. Letzteres solle er aber ja nicht unterlassen, wenn er es für nöthig halte.
Ob und inwiefern hier eine Anknüpfung an den mittelalterlichen Sent vorliegt, soll
an dieser Stelle nicht untersucht werden.
Dass daneben in der lutherischen Kirche der Name „Synode“ auch für gesetzgebende
oder begutachtende Versammlungen vorkommt, braucht wohl kaum erst hervorgehoben zu werden.
Die Versammlungen, welche z. B. die Superintendenten mit ihren Pfarrern abhielten, brauchten
nicht immer ausschliesslich Visitationszwecken zu dienen, obwohl dies für die ersten Jahrzehnte
der Reformation gewiss ganz überwiegend der Fall war. Die Leipziger Gutachten von 1544
schlugen z. B. für den Verwaltungsbezirk des Bischofs von Merseburg eine solche berathende
Körperschaft vor, welche aus den Superintendenten, der theologischen Fakultät zu Leipzig und
den Mitgliedern des Consistoriums bestehen sollte. Vgl. Sehling, Kirchen-Gesetzgebung unter
Moritz von Sachsen, S. 21. 53. Vgl. ebenda S. 31. Von besonderem Einflusse für die Entwick-
lung von Synodus und Visitation ist das Vorgehen Georg’s von Anhalt geworden.
Es war eigentlich ein naheliegender Gedanke, die beiden Formen der Aufsicht: Synodus
und Visitation in organischen Zusammenhang zu bringen.
Auf der Conferenz, welche 1545 in Leipzig zur Berathung der grossen K.O. für das Albertinische
Sachsen (der sogen. Celler K.O.) stattfand, schlugen die Leipziger Theologen in einem Sonder-Gut-
achten eine solche Combination vor. Es sollten stattfinden: ein jährlicher Synodus des Bischofs mit
den Superintendenten, auf welchem diese die Gebrechen ihrer Pfarrer „mochten anzeigen und
abhelfen“, sodann jährlich ein Synodus jedes Superintendenten mit seinen Pfarrern, und darauf
folgend Lokal -Visitation der Superintendenten in allen Pfarreien mit Examen der Pfarrherrn
und der Gemeinde - Angehörigen. (Sehling, Moritz von Sachsen, S. 60.) Georg von Anhalt
hatte gegen diese Regelung nichts einzuwenden, er hat sie auch, wenigstens im Stiftsgebiete
Merseburg, durchgeführt. Er veranstaltete zunächst eine allgemeine Synode. Auf dieser hielt
er die berühmten Synodal-Reden. Für die Synoden der Superintendenten verfasste er die
Superintendenten-Instruktion, welche die Superintendenten ihren Pfarrherrn vorzulesen hatten.
(Vgl. Sehling, a. a. O. S. 68ff.) Und auf diese Synodi folgten die Lokal- oder Partikular-
Visitationen. Alle standen untereinander im inneren Zusammenhange.
Diese Maassnahmen Georg’s sind auch der späteren Zeit noch als mustergültig erschienen.
Das Leipziger Consistorium wurde im Jahre 1555 vom Kurfürsten um ein Gutachten über Synodi
und Partikular-Visitationen gebeten. Das Consistorium schrieb, dass es keine bessere Weise
anzugeben vermöchte, als wie sie seiner Zeit Georg von Anhalt eingerichtet habe. Von dieser
gab es sodann eine genaue Schilderung, und diese ist so wichtig, dass wir das Gutachten aus
Dresden, H.St.A. Loc. 10600, Synodi und Visitationssachen in S. Kurf. Gn. Landen 1578/81,
Bl. 5—37 als Anhang 1 zum Abdruck bringen.
Aber Georg’s Vorgehen fand im übrigen Sachsen nicht viel Nachahmung. Die Gründe
liegen auf der Hand. Die Superintendenten wurden durch die vielen Reisen allzusehr in An-
spruch genommen, die Lokal-Visitationen liessen ihnen zu ihren sonstigen Geschäften keine Zeit.
 
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