Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0130
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
102

Albertinisches Sachsen. Cap. II. Moritz. (1541—1553.)

III. Weitere Massnahmen unter Kurfürst Moritz.
Im Jahre 1547 vollzogen sich die bekannten territorialen Verschiebungen. Kaum war
der Friede hergestellt, so nahm Moritz, jetzt Kurfürst von Sachsen, die kirchlichen Gesetz-
gebungspläne wieder auf. Die Gleichheit der Ceremonien mochte ihm jetzt als ein Hilfsmittel
für die politische Einigung seiner Gebiete besonders erstrebenswerth erscheinen.
Schon auf dem ersten Landtage nach dem Kriege, im Juli 1547, verlangte der Kurfürst
ein Gutachten, „wie man zu einer feinen und richtigen gleichförmigkeit in ceremonien und guter
kirchenordnung“ kommen möchte.
Die Zeit des Interims, welche jetzt hereinbrach, bedeutete eine ganz neue Phase in der
Kirchen - Gesetzgebung Sachsens. Über diese Periode habe ich auf Grund von Issleib (Das
Interim in Sachsen 1548—1552, im N. Archiv für Sächs. Geschichte und Alterthumskunde 15,
193 ff.), Friedberg (Agenda, Halle 1869), und „Gründlicher Bericht, Wittenberg 1559“, sowie
auf Grund von bisher nicht verwerthetem archivalischem Material des Dresdener H.St.A., und
ganz besonders des Zerbster Herzoglichen Staats-Archives in meiner oft citirten Schrift aus-
führlich Bericht erstattet.
Insbesondere habe ich versucht, die Litterär-Geschichte der grossen Interims-Kirchen-
Ordnung, welche bei Friedberg, a. a. O. erstmalig abgedruckt ist, darzustellen. Als eigent-
lichen Verfasser haben wir Georg von Anhalt zu betrachten, der hier seiner Vorliebe für die
Ceremonien der alten Kirche freien Spielraum gewähren und auch die Cellischen Beschlüsse
zum Theil zu Ehren bringen konnte. Es ist nach unserem Plane hier nicht der Platz, die ver-
schlungenen Pfade dieser letzten grossen Agenden-Gesetzgebung erneut klar zu legen. Die Zeit
des Interims wird in unserer Sammlung nur gestreift, und es wird daher auch die in diese Zeit
fallende grosse Ordnung, die, ein Produkt der Noth und der Nachgiebigkeit, nicht als eine rein
evangelische Ordnung bezeichnet werden kann, hier nicht weiter behandelt. Ich verweise auf
meine Schrift und den Abdruck bei Friedberg.
Zwei recht interessante Verordnungen des Kurfürsten Moritz aus dieser Interimszeit
seien hier erwähnt, von denen die zweite nicht bekannt zu sein scheint.
In einem gedruckten Ausschreiben d. d. Dresden, 4. Juli 1549 (Zwickau, Rathsarchiv,
III. Alm., Schubk. 4 Nr. 9; auch im Schneeberger Rathsarchiv) beschwichtigte der Kurfürst die
durch die Interims - Massnahmen erregten Gemüther. Es sei nicht sein Wille, die alten Miss-
bräuche wieder anzurichten, sondern er werde die Unterthanen bei der christlichen Religion
erhalten.
In einem gedruckten Ausschreiben vom 5. März 1549 (Zwickau, Rathsarchiv, III. Alm.,
Schubk. 4 Nr. 8)befahl der Kurfürst, dass in der Fastenzeit in Zukunft kein Fleisch öffentlich
geschlachtet oder feilgehalten werden dürfe. Man sieht, der Kurfürst verhilft dem Fasten-
gebote auf indirektem Wege zur Geltung. Und damit Niemand den Vorwurf der Einführung
katholischer Gebräuche erheben könne, motivirt der Fürst seine O., die „auf anregung der land-
schafft auf negst gehaltenem landtage zu Leipzig geschehen“ sei, mit der Rücksicht auf eine zu
verhütende Theuerung und Mangel an Fleisch. Zum Schlusse hebt er ausdrücklich hervor,
dass es sich hierbei um eine weltliche Ordnung handele, „die zur erhaltung gutter polizei diene
und dem volke selbst zum besten“ dienen solle.
An der grossen Interims-Agende erlebte übrigens Georg von Anhalt noch weniger Freude
als an seinen früheren Arbeiten. Wie diese war sie nicht Gesetz geworden. Aber Georg
musste sich mit den übrigen Theologen, welche daran betheiligt gewesen waren, insbesondere
Melanchthon, die heftigsten Anfeindungen gefallen lassen. Melanchthon verdiente diese Angriffe
noch am wenigsten. (Vgl. Sehling, a. a. O. S. 91 ff.) Die Flacianer leisteten in Schmähungen
Unglaubliches. Über die Vertheidigungsschriften vgl. meine Schrift.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften