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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0154
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Albertinisches Sachsen. Cap. III. Kurfürst August. (1553—1586.)

Ordnungen, insbesondere derjenigen des Gottesdienstes. Hier sieht man, mit welcher Selbständigkeit
die Pfarrer bei der Ausgestaltung des Gottesdienstes verfuhren, ohne bei den Visitatoren auf
Widerspruch zu stossen. Bemerkenswerth ist auch die Vertheilung der Gottesdienste auf die
einzelnen Tage und die Auswahl der Predigttexte. Die Gottesdienste in der Woche sind durch-
weg schlecht besucht. Man hört darüber überall Klagen. Die weltliche Obrigkeit schreitet
mit Polizeistrafen gegen schlechten Kirchenbesuch ein. Grosses Gewicht legen die Berichte auf
den Katechismusunterricht. Wie nothwendig derselbe auch den Erwachsenen war, zeigen die
Berichte. Die Kenntnisse sind sehr gering. Aber das Examen mit den Erwachsenen in der
Kirche stösst auf heftigen Widerstand. Man vergleiche die Vorgänge in Siebenlehn und Weissen-
born. In grösseren Gemeinden verbot es sich von selbst. Die zum Abdruck gebrachten Bei-
spiele bieten auch einen Einblick in die Methode des Katechismusunterrichts. Der Kirchenregister
werden zumeist drei geführt: für Taufen, Ehen und Todesfälle. Manchmal wird ein viertes an-
gelegt für die Abendmahlsgäste. Die Ehe-Gerichts-O. wird zumeist nicht verlesen. Zumeist ist
sie überhaupt nicht vorhanden. Man will warten, bis sie gedruckt ist.
Für Siebenlehen (Superintendenz Freiberg) wird in der Lokal-Visitation 1578 (Dresden
2012, Bl. 258 ff.) Folgendes einberichtet:
IV. Er prediget catechismum Lutheri am sontags zu mittags; lest aber ehe er uf die
kanzel gehet, zweene knaben dasselbige stuck hersagen, bissweilen examinirt er kinder selbst
daraus und hat sonsten keinen anderen catechismum.
V. Diss jahr hat er das examen gehalten mit allen seinen eingepfarrten, zuvor aber
nicht, wils aber hinfurt allzeit halten.
Es bericht aber der pfarherr hierbei, das ein mitburger, nemlichen der alte Schwartz-
ferber sich geweigert das 8. gebot auswendig zu sagen oder schlecht zu recitieren, sondern nur
auss’m buch herlesen, der pfarherr erinnert ihn mit bescheidenheit, er wolle es ihm auswendig
sagen, daruber gedachter Schwartzferber mit grössten unwillen zur kirchen nauss gangen, und
doch, damit er nicht ferner kommen, dem pfarhern solches abgebeten.
Deswegen fragt alhie der pfarher ob die Eltern hern und frauen hinfurt auch sollen
mit dem beten verschonet sein, gleichsam als die so in grossen stedten wohnen. Ich habe sie
jetzt verhoret, haben sehr wenig grundts aus dem 5. stucke des hl. catechismi.
VI. „Die eltern werden vom pfarhern fleissig erinnert, das sie ihre kinder zu schulen
und catechismo halten wollen, es wil aber seiner warnung bei allen nicht nutz schaffen“ . . .
X. Die kirchenrechnung wird gehalten im beisein des amptsschossers, des raths, pfar-
herr und ganzen gemeine . ., ist aber in grossem abnehmen, von wegen das sie die brucken
unter dem stedtlein uber die Mulde halten mussen.
(Folgt ein interessanter Bericht über die Schule.)
Für Weissenborn (Superintendenz Freiberg) wird in der Lokal -Visitation A° 78, 4. Sep-
tember (Dresden 2012, Bl. 227) Folgendes berichtet:
2. Am Sontage frue explicirt er evangelium dominicale. Zu mittags treibt er die stuk
des hl. catechismi, recitando nudum textum. Deinde addit aliquam explicatiunculam und helt
darauf examen mit den kindern und gesinde, wenn sie vorhanden.
Er beklagt sich aber, es komme bald niemand zum catechismo in die kirch, auch die
eltern selbs nicht. Die kinder und gesinde, wan sie gleich hinein kommen, laufen sie bald
wieder heraus. Sind itzt mit ernst von mir zu grösserem fleiss vermanet worden und hat die
obrickeit, richtern und scheppen befolen auf die seumigen und die bald davon lauffen achtung
zu geben und sie in straff zu nehmen.
Die wochenpredigten sind bishero nicht gehalten worden. Beclagt sich der pfarherr, es
komme niemandts. (Das Dorf selbst ist klein, enthält viel Hüttenarbeiter. Der Pfarrer soll
noch einen Versuch machen.)
 
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