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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0199
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3. Unterricht der visitatoren an die pfarrherrn im kurfürstenthum zu Sachsen. 1528.

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denn die glocken, sonst würde ein teufelstreudel
daraus, wie zuvor gewest.
So ist das pacem leuten an viel orten dazu
geordent, das die leute wissen, welch zeit es am
morgen ist, auch zu welcher zeit sie des abends
vom felde zu haus gehen sollen.
Weil nu etliche unrecht meinen, es sei ein
dienst, der der reinen jungfrau Maria geschehe,
sollen die leute unterricht werden, . das darümb
geschehe, auf das man bete wider den teufel und
gehenden tod, und alles was des tags und nachts
für fahr zufallen mügen, wie die alten hymni und
gesang der completen und der primen zeit anzeigen.
In sonderheit aber das man gott umb fride
bitten sol. Auch das fride eine gabe gottes sei,
wie der 127 psalm anzeiget: Wo der herr nicht
das haus bauet, so erbeiten umsonst die daran
bauen. Wo der herr nicht die stad behütet, so
wachet der wechter umbsonst. Und im 28. psalm :
Gott hat zerstreuet die völker, die zu kriegen lust
haben, und andere sprüch mehr.
Man sol auch die leute unterrichten, wie ein
gut köstlich ding frid sei. Denn im krieg können
die armen nicht narung suchen, auch kan man
nicht kinder ziehen, es werden jungfrauen und
weiber geschwecht, geschehen allerlei mutwillen,
nicht allein von feinden, sondern auch von freunden,
recht und gericht, alle zucht und gottesdienst
gehen unter in kriegen. Darümb solt man gott
billich teglich bitten, das er uns nicht mit dieser
scharfen ruten strafe. Von solchen dingen ists
nütze oft predigen, denn es sind die rechte gute
werk, auf die uns die schrift auch uberal weiset.
Das ist aber darümb geschrieben, das sich
die pfarherr nicht zanken sollen, umb solcher
sachen willen. Nicht, das man solch leuten halten
müsse, wo es auch gefallen, ist nicht not wider
aufzurichten.
Von verordnung des superattendenten.
Dieser pfarherr soll superattendens sein, auf
alle anderen priester, so im ampt oder refir des
orts sitzen, sie wonen unter den klöstern, stiften,
den vom adel oder andern, und vleissig aufmerken
haben, das in den obbestimpten pfarren recht und
christlich geleret, und das wort gottes, und das
heilige evangelion rein und treulich geprediget,
und die leute mit den heiligen sacramenten, nach
aussatzung Christi, seliglich versehen werden, das
sie auch ein gut leben füren, damit sich das ge-
meine volk bessere, und kein ergernis empfahe,
und nicht gottes wort zu entgegen, oder, das zu
aufrhur wider die öbrikeit1) dienstlich, predigen
odder leren. 1
Wo nu der eins, odder mehr von einem odder
mehr pfarherrn oder predigern vernomen oder ge-
handelt würde, den odder die selbigen sol ob-

angezeigter superattendens zu sich erfordern, und
ihm untersagen, von solchem abzustehen, und
ihnen gütlich unterweisen, warinnen er sich ver-
brochen, geirret, zu viel oder wenig, es sei in
der lere oder leben, gethan habe.
Würde er aber davon nicht lassen, hoch ab-
stehen wollen, und sonderlich zu erweckung falscher
lere und des aufrhurs, so soll der superattendens
solchs unverzüglich dem amptman anzeigen,
welcher denn solches furt2) unserm gnedigsten
herrn dem kurfürsten vermelden sol, damit seine
kurfürstliche gnaden hierin in der zeit billichen
versehung fürwenden mügen.
Es ist auch für gut angesehen und geordent,
ob künftiglich der pfarherr oder prediger einer
auf dem lande seiner refier, mit tod abgehen, oder
sonst sich von dannen wenden, und andere an ihre
stat, durch ihre lehenherrn genomen würden, der
odder die selbigen sollen zuvor, ehe sie mit den
pfarren belehent, odder zu predigern aufgenomen
werden, dem superattendenten fürgestellet werden.
Der sol verhören und examiniren, wie sie in ihrer
lere und leben geschickt, ob das volk mit ihnen
gnugsam versehen sei, auf das durch gottes hülfe
mit vleis verhütet werde, das kein ungelerter odder
ungeschickter zu verfürung des armen volks auf-
genomen werde, denn man ist oft und dick, und
sonderlich in kurz vergangen jaren, wol innen
worden, was grossen guts und böses, von ge-
schickten und ungeschickten predigern zu gewarten.
Daraus man billich bewegt wird, ein vleissigs
auge auf dis stück zu haben, ferrer unrichtickeit,
und beschwerung aus gottes gnade zu verhüten
und verkomen, damit gottes namen und wort, in
uns nicht gelestert werde, davon uns Sanct Paul
an so viel enden so treulich vermanet.
Von schulen.
Es sollen auch die prediger die leute ver-
manen, ihre kinder zur schule zu thun, damit man
leut aufziehe, geschickt zu leren, in der kirchen,
und sonst zu regiren. Denn es vermeinen etliche,,
es sei genug zu einem prediger, das er deudsch
lesen künde. Solchs aber ist ein schedlicher wahn.
Denn wer andere leren sol, mus eine grosse ubung
und sonderliche schicklickeit haben, die zu er-
langen, mus man lang und von jugent auf lernen.
Denn S. Paulus spricht in der 1. zu Timotheo
am 3.: Es sollen die bischoff geschickt sein , die
andern zu unterrichten und zu leren. Damit
zeiget er an, das sie mehr schicklickeit haben
sollen, denn die leien. So lobet er auch Timo-

1) 1538 statt [zu aufrhur ... oberkeit]: zu
aufruhr der oberkeit.
2) 1538 statt [furt]: für.

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