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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0200
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172

Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.

theum in der 1. epistel am 4. cap. das er von
jugent auf gelernet habe, auferzogen in den worten
des glaubens, und der guten lere. Denn es ist
nicht eine geringe kunst, die auch nicht müglich
ist, das sie ungelerte leute haben, andere klar und
richtig leren und unterrichten.
Und solcher geschickter leute darf man nicht
allein zu der kirchen, sondern auch zu dem welt-
lichen regiment, das gott auch wil haben.
Darümb sollen die eltern, umb gottes willen,
die kinder zur schule thun, und sie gott dem
herrn zurüsten, das sie gott andern zu nutz
brauchen künde.
Für dieser zeit ist man umb des bauchs
willen zur schule gelaufen, und hat der grösser
teil darümb gelernet, das er eine prebend kriget,
da er versorget, sich mit sundlichem meshalten
erneret. Warümb thun wir gott nicht die ehre,
das wir umb seines befehls willen lernen? Denn
er würde on zweivel dem bauch auch narung
schaffen, denn er spricht Matth, am 6. also:
Trachtet zum ersten nach dem reich gottes, so
werden euch alle andere guter zu gegeben werden.
Gott hat die Leviten im gesetz Mosi mit dem
zehenden versorget. Im evangelio ist nicht ge-
boten, den priestern den zehenden zu geben, aber
dennoch ist geboten, ihnen narung zu geben. So
saget Christus selbs, Matthei und. Luce am 10.
das ein jeder taglöner seines lohns und seiner
speise werd sei.
Darümb, ob schon die welt gottes gebot ver-
acht, und den priestern, den sie schüldig ist, nicht
gibt, wird dennoch gott der priester, die recht
leren, nicht vergessen, und sie erneren, denn er
hat ihnen narung zugesagt.
Wie reichlich auch viel andere künste durch
gottes willen belonet werden, sihet man teglich.
Denn also ist geschrieben ecclesiastici am 38.: von
gott ist alle erznei, und wird vom könig1) schen-
kung empfahen.
Nu sind viel misbreuche in der kinder
schulen. Damit nu die jugent recht geleret werde,
haben wir diese form gestellet.
Erstlich, sollen die schulmeister vleis ankeren,
das sie die kinder allein lateinisch leren, nicht
deudsch oder grekisch, oder ebreisch, wie etliche
bisher gethan, die armen kinder mit solcher manch-
feltickeit beschweren, die nicht allein unfruchtbar,
sondern auch schedlich ist. Man sihet auch, das
solche schulmeister nicht der kinder nutz be-
denken, sondern umb ihres rhumes willen, so viel
sprachen fürnemen.
Zum andern, sollen sie auch sonst die kinder
nicht viel mit büchern beschweren, sondern in'
allweg manchfeltickeit fliehen.

Zum dritten, ists not, das man die kinder
zurteile in haufen.
Vom ersten haufen.
Der erste haufe sind die kinder, die lesen
lernen. Mit den selben sol diese ordnung gehalten
werden. Sie sollen erstlich lernen lesen der
kinder handbüchlein, darin das alphabet, vater
unser, glaub, und andere gebet innen stehen.
So sie dis künden, sol man ihnen den Donat
und Cato zusamen fürgeben, den Donat zu lesen,
den Cato zu exponiren, also, das der schulmeister
einen vers oder zween exponire, welche die kinder
darnach zu einer andern stunde aufsagen, das sie
dadurch einen haufen lateinischer wort lernen, und
einen vorrat schaffen zu reden. Darinnen sollen
sie geübet werden, so lang, bis sie wol lesen
künden, und halten es dafür, es solt nicht un-
fruchtbar sein, das die schwachen kinder, die nicht
ein sonderlich schnellen verstand haben, den
Cato und Donat nicht einmal allein, sondern das
ander mal auch lerneten.
Daneben sol man sie leren schreiben, und
treiben, das sie teglich ire schrift dem schulmeister
zeigen.
Damit sie auch viel lateinischer wort lernen,
sol man ihnen teglichs am abend etliche wörter zu
lernen fürgeben, wie vor alter die weise in der
schule gewesen ist1).
Diese kinder sollen auch zu der musica ge-
halten werden, und mit den andern singen, wie
wir darunden, wil gott, anzeigen wöllen.
Von dem andern haufen.
Der ander haufe, sind die kinder so lesen
künden, und sollen nu die grammatica lernen.
Mit den selben sol es also gehalten werden.
Die erste stunde nach mittag teglich sollen
die kinder in der musica geübet werden, alle,
klein und gros.
Darnach sol der schulmeister dem andern
haufen auslegen die fabulas Esopi erstlich. Nach
der vesper, sol man ihnen exponiren, pedologiam
Mosellani, und wenn diese bücher gelernet, sol
man aus den colloquiis Erasmi welen, die den
kindern nützlich und züchtig sind.
Dieses mag man auf den andern abend re-
petiren.
Abents, wenn die kinder zu haus gehen, sol
man ihnen einen sentenz aus einem poeten, oder
andern fürschreiben, den sie morgens wider auf-
sagen , als amicus certus in re incerta cernitur.
Ein gewisser freund wird in unglück erkand.
Oder, fortuna quem nimium fovet, stultum facit.

1) 1538 statt [die weise ... ist]: diese weise in
den schulen gewest ist.

1) 1538 statt [vom könig]: von königen.
 
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