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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0239
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14. Wittenbergische Reformation. 1545.

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sterben, welches nicht geschieht, so man den
artikel von erbsünd verdunkelt.
Darnach folget der artikel vongnadund er-
lösung von sünden, nämlich dass wir vergebung
der sünden, gnade und heiligen geist erlangen,
und werden mit gott versöhnet, gerecht und erben
des ewigen lebens nicht aus verdienst unser werk,
sondern um des heilands Christi willen, durch
glauben an Christum. Dieser artikel ist durch
gottes gnade in unsern kirchen reichlich erkläret.
Und dass von nöthen sei, diesen artikel rein zu
lehren, wie er in unsern kirchen gelehrt und ver-
standen wird, das ist ganz offentlich. Denn also
und nicht anders lehret uns gott von der ehre
Christi und von vergebung der sünden, wie actor. 10
geschrieben stehet: diesem geben alle propheten
zeugniss, dass man vergebung der sünden habe in
seinem namen, alle, die an ihn glauben. Und wo
dieser artikel nicht rein erhalten wird, da folget
viel blindheit; die herzen bleiben in zweifel wie
die heiden, und haben keinen gewissen trost,
fliehen vor gott und haben keine rechte anrufung,
erdichten darnach eigne verdienst, möncherei und
dergleichen werk, damit die lahr von Christo und
glauben viel mehr verdunkelt wird. Und ist in
summa dieser artikel, wie er nach der läng in
unsern kirchen erkläret, die hauptlehre des evan-
gelii, die keine creatur im himmel und auf erden
zu ändern hat; sondern es ist gottes unwandel-
barer rath, der uns aus unermesslicher barmherzig-
keit durch seinen sohn also will erledigen von
sünden und selig machen durch vertrauen auf
diesen einigen heiland Jesum Christum.
Darnach folget die lehre von guten werken:
dass, so der glaube und das vertrauen auf Christum
vergebung der sünden empfähet, gibt gott seinen
heiligen geist in das gläubige herz, und zündet
an ein neues licht und leben im herzen, gottes-
furcht, liebe, guten fürsatz, nach allen geboten
gottes. Und ist also gottes ernstlicher wille, dass
wir in guten werken leben, und die geschenkte
gnad und vergebung behalten und nicht verschutten.
Und nachdem rechte lehr von guten werken in
ganzer welt sehr verfälscht gewesen, und noch in
vielen landen verfälscht wird: [so] ist die hohe
nothdurft, die kirchen recht und einhelliglich dar-
von zu unterrichten, welche werk gott fordert, wie
sie gotte gefallen, so doch noch sünde in diesem
elenden leben in allen menschen bleiben, item,
von unterschied der menschen etc.
Von diesen hohen sachen geschiehet christ-
licher unterricht in unsern kirchen, denn wir nicht
für unnöthig schuldisputation halten. Darum wir
nichts darin zu ändern wissen. So es aber jemand
für schuldisputation hält, und meinet, es seien
fabeln, die man zu jedes gelegen heit deuten und

wenden, und mit Worten färben und verstreichen
könne, der wird seinen richter haben.
Aus diesem artikel folgen nu die andern artikel,
die von rechtem heilsamen brauch der sacrament
reden. Und erstlich von der taufe ist die
kindertaufe mit ernst zu schützen und zu hand-
haben, und wäre zu erinnerung deren so bei der
tauf sind, nützlich, dass die taufe an jedem ort
in bekannter sprach gehalten würde. Und ist
nicht not, dazu mehr oder längere ceremonien zu
ordnen denn jetzt gewöhnlich.

Confirmation.
Dieses wäre hochnöthig in allen kirchen, den
catechismum auf bestimpte tage zu halten, die
jugend in allen nöthigen artikeln christlicher lehre
zu unterweisen. Dazu möcht die confirmation an-
gericht werden, nämlich, so ein kind zu seinen
mündigen jaren kommen, öffentlich sein bekennt-
niss zu hören, und zu fragen, ob es bei dieser
einigen göttlicher lehre und kirchen bleiben wollt,
und nach der bekenntniss und zusage mit auf-
legung der hände ein gebet thuen. Dieses wäre
ein nützliche ceremonien, nicht allein zum schein,
sondern viel mehr zu erhaltung rechter lahr und
reines verstands und zu guter zucht dienlich.

Ordination.
Wiewohl hernach weiter zu sagen von der
Ordination und erhaltung des predigampts oder
ministerii evangelici, so ist doch hie kürzlich zu
erinnern, dass dieses werk hoch und gross zu
achten. Und wiewohl gott das predigamt erhält,
und wählet tüchtige lehrer, wie geschrieben stehet
Ephes. 4: so sind doch die regenten schuldig,
ihre arbeit dazu zu thuen, dass man prediger und
priester haben möge, und dass die selbigen an
gewissen örten von gelehrten gottfürchtigen leuten
dazu verordnet, verhöret, angenommen oder ver-
worfen werden. Diese arbeit ist den bischofen
befohlen gewesen. Nu haben sie nu lange zeit
die göttliche wahrheit verfolget, und lassen die
kirchen in ihren eignen gebieten ledig stehen,
wüst und heidnisch werden. Darum ist von nöthen
zu bedenken, wie der christenheit zu rathen sei,
und so ihnen die ordinatio soll befohlen werden,
müssen sie sich erst von der lahr erklären. Denn
wo sie verfolger christlicher lehr bleiben, und nicht
wollen ordiniren ohne verpflichtung zu falscher lehr
und zu verfolgung der wahrheit: so kann man die
ordinatio bei ihnen nicht suchen.So sieai aber
rechte lahr wollen annehmen und helfen erhalten,
und tüchtige personen zur verhöre verordnen,
könnten sie vil guts thuen. Denn wahrlich gross
und merklich daran gelegen, dass die ordinatio
nothdürftiglich bestellet sei. Und so die regenten
bedächten die grosse wohlthat gottes, die auf das
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