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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0340
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312

Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

auch der superintendens etwas ungebuhrliches oder
streflichs von jemands der nechsten pfarhern er-
faren hat, soll er denselben in geheime darumb
ansprechen und nach gelegenheit der verbrechung
strafen mit vormanung; do keine besserung folge
und der gleichen clag mehr für ihn kommen
würde, das er solchs an den ober-superintendenten,
oder das consistorium musse gelangen lassen.
Er soll auch solche seine nachbarn im synodo
freuntlich vermahnen zu vleissigem studium und
lesen, zu einem zuchtigen wandel, zu treuem
dienst, in irem bevolnen ampt und beruf und inen
ein nutzliches buchlein oder aber ein stuck aus
der biblia dieses volgende jar zu lesen, furgeben,
mit der erinnerung, das sie im kunftigen synodo
auf derselben schrift oder stück, freundlich ein-
ander hören wollen, und sich davon besprechen.
Nach solchem gehaltenen synodo sollen jerlich uf
mitwochen nach den pfingst feiertagen alle super-
intendentes und statpfarrer, so in die superinten-
dentia Witeberk gehoren, des gleichen uf ihres
gemeinen kastens unkosten gen Witteberk reisen
und doselbst dem pastori als dem obern super-
intendenti relation thun, was sie von ihrem nach-
barn haben erkundiget oder sunst wissen oder fur
notig achten anzuzeigen. Do aber der super-
intendenten einer nach gehaltenem synodo mit
schwachen des leibs oder anderer ursache halben
verhindert, uf bestimbten tag gen Witeberk nit kom-
men mocht, soll er seinen bericht und clag schrift-
lichen fassen, und dem nechsten superintendenti
oder aber dem pastori zu Witeberk selbstzusenden,
damit gleichwol der general superintendens, neben
dem consistorio zu Witeberk erfaren konne, wir
es allenthalben im churkreis mit der lehr und
gottesdienst, gehalten werde. Auch soll der
superintendens gute achtung druf geben, das in
seiner superintendentia, weder vom adel noch von
burgermeistern oder gemeinden kein pfarrer, noch
_ sunst kein kirchen- oder schuldiener ohne sein
vorwissen und bewilligung und ohne ursach vom
kirchendienst entsetzet und geurlaubet werde.
Auch das keiner zum pfarr-ampt berufen und zur
ordination gen Witeberk geschickt werde, der nicht
zuvor dem superintendeni presentiert, und mit
zeugnus eines erbarn wandels und lebens zu-
geschickt werde. Als dann sol der superinten-
dens solchen zugeschickten ordinanden fragen, wo
und was er studiere, auch wo und wo mit er sich
zuvor enthalten und gewohnet hab, entlich ihn
vleissig examinieren in der christlichen lehr und
do er befunde. das derselbe ganz ungeschickt und
indocilis wehre, soll er die so ihn gesant und mit
der pfarr vertrostet haben, schriftlichen, von dieses
ungeschickligkeit berichten, und vermanen, das sie
uf einen andern bedacht sein wollen, der mehr
tuglich sei zum pfarrampt. Do aber der ordi-

nandus nit gar ungeschickt, und docilis wer, soll
er ihn mit seinem und der lehnherrn gezeugnuss
gen Witeberk schicken mit verwarnung, das er von
denen, so ihn zum pfarrampt berufen, zuvor mit
notturftiger zerung versorget werde, damit er
etlich wochen, do er von nothen sein wurde, zu
Witeberk instituiert und der ordination ohne
jemands beschwerung, verwarten konne. Do in
seiner superintendentia ein pfarrer mit tode ab-
ginge, soll er verschaffen, das dieselbe kirche
mit der nechsten flecken pfarrer einem, oder
jemands anders, der do zu tuglich und unvor-
dechtig sei, so lang bestellet, und mit der seelsorg
vorsehen werde, bis die wittfrau aus den pfarr-
gutern abgefertiget und ein neuer pfarrer uf die
pfarr muge gebracht und eingeweisen werden.
Es soll auch der superintendens neben dem rade,
oder richter und gemeinden eine billiche ver-
gleichung machen, nach gelegenheit der zeit des
jares und des vordinten gewechs uf dem felde
und andern einkommen der pfarrer, damit der
witwe nichts von dem, so ihr herr seliger fast
vordienet hat, entzogen, und doch die pfarrer nit
gar veröst und ausgeschöpft werde, das der neue
pastor nachmals gar nicht finde und lange zeit
vorgeblich dienen musse, welchs bisweilen geschicht
und unrecht ist. Sunderlich soll der super-
intendens darob sein, dass dem inventario volle
genuge geschehe, und alles das, so verzeichnet ist,
in dem werd und wirden bei der pfarr gelassen
werde, wie es der verstorben pfarrer erstlich ge-
funden hat.
Dieweil aber bisher im ganzen churkreis
vom consistorio zu Witteberk diese ordnung ge-
halten ist worden, das, do ein pfarrer verstorben,
man der witfrauen das einkommen des halben
jares, oder die helft des ganzen einkommens der
pfarrern, hat volgen und sie im pfarrhaus ein
halbes jar hat wonen lassen, do mit sie sich mitler
zeit, mit bequemer wonung fur ire kinde, vihe
und habe, versorgen hat konnen, und nit gar mit
lediger hande, aus der pfarr plotzlich gestossen
worden ist.
Wie wol die visitatores dieses artikels halben
noch keinen klaren aufgedruckten bevelich von
unserm gnedigsten hern bekummen haben, hoffen
sie doch, es soll unserm gnedigsten hern nicht
entgegen sein, das solche lang hergebrachte und
wolbedachte, christliche ordnung, auch forthin im
churkreis mit den verstorbenen pastorn armen
wittwen und waisen, gehalten werde, das sie ein
halb jar uf dem pfarrhaus geduldet werden und
die helft des einkommens der pfarr uf heben
mugen, doch _ unverruckt' des, so von wegen des
inventari bei der pfarr muss gelassen werden.
Jedoch soll der superintendens vleiss furwenden
und wege erdenken, damit die pfarr mitler weil
 
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