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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0372
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Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

als von einem ehebrecher ledig gesprochen werde,
sol sie mit ordentlichen process wie droben ge-
meldt ledig gesprochen werden, und sol ihr vor-
leibet sein, sich wiederum christlich mit einem
andern zuvorehelichen und so die ander von dem
ersten verlobnus nichts gewust hat, sol ihr auch
erlaubet werden, christlich zu freien; so sie aber
das erste verlobnuss gewust hat, soll sie durch die
weltliche oberkeit geburlich gestraft werden, und
soll publicam poenitentiam thun.
Vom weglaufen aus dem ehe stand.
Die gotliche regel, wie droben gesagt ist, ist
unwandelbar, was got zusammen gefuget hat, sol
niemand scheiden. Wider diese gotliche regel
handeln alle die, welche boshaftiglieh weglaufen,
und die verlobte person, oder ehegenossen mit
eigenem willen verlassen, etliche aus Ungeduld,
etliche aus boser lust zu ungebundenem leben und
zue ehebruch, und lassen ihre arme weib und
kinder in hunger und elend sitzen. Diese zer-
reisen selber ihren ehestand wider gotes willen,
und fallen in gotes gericht und zorn, und wurd
solcher ehestand nicht vom richter zertrent, sondern
der richter thut erclerung nach gotlicher schrift,
Corinth. 7, das die unschuldige person ledig sei,
wie droben vom ehebruch gesagt ist. Und ist dieses
nemlich geredt von boshaftigen weglaufen, nicht
von ehelichen personen, die aus gebot ihrer herr-
schaft in legation, in erlichen kriegen, und andern
erlichen bevolen sachen ziehen, oder gefangen
werden, oder sonst mit bewilligung der hausfrauen
ein zeitlang auf bleiben, welche nicht seind de-
sertores, den solche haben nicht animum deserendi
und ist inen herzlich leid, das sie nicht bei ihren
weib und kindern sein konnen. Von denselbigen
redet S. Paulus nicht. Wo nun eine eheliche per-
son, nach der beschlafung von der andern muth-
williglich weglaufet, so die verlofen person ehe-
-bruch treibet, wie vielmal geschiet, und die
unschuldige person claget, ist zu procediren, wie
zuvor vom ehebruch gesaget, und ist nicht not
lenger der zeit zu/erwarten.
So aber der ehebruch nicht zu erweisen ist,
sol die unschuldig person drei jahr vorziehen, und
sich so viel moglich von der untreuen fluchtigen
person erkundigen, und so sie wil ledig gesprochen
werden, sol sie umb citation der fluchtigen person
bei dem consistorio ansuchen, die sollen nach
ordentlichem process und erkundung, ob die
clagende person ein gut zeugnis habe, so die fluch-
tige person aussen bleibet, die ander unschuldige
person ledig sprechen, und ihr erlauben sich
wiederumb christlich zuverehelichen.
Und dieses urthel sol durch die weltliche
oberkeit geschützt werden, also das die untreu
fluchtige person, so sie wiederumb kommet, nicht

j zur clag, auch nicht zur zerrung*) der andern
ehe zugelassen werde, werde auch zur strafe von
wegen der geubten untreue im lande nicht ge-
duldet.
Und vor solchen sentenz des consistorii sol
der verlassen person nicht gestadt werden, sich
wiederumb in den ehestand zu begeben, es sollen
auch pastores keine solche personen trauen, sie
haben den des consistorii urthel gesehen, wie
droben gemeldt ist. So verlobte personen vor dem
beiliegen zwei jahr muthwilliglich ausbleiben, und
die verlassen person claget, und auf die citation
die fluchtige person nicht erscheinet, sol die
clagende person ledig gesprochen werden, und
sol ihr erlaubet werden, sich christlich mit einem
andern zuverehelichen, und so der fluchtige wieder
kommet, soll er nicht zur clag und zur zerrüttung* 2)
des itzigen eliestandes zugelassen werden, sol auch
zur strafe an demselbigen ort nicht geduldet werden.
Von der sevitia, veneficiis und etlich andern
hochbeschwerlichen fellen, sollen die consistoria
dieselbige sachen an die herschaft gelangen lassen,
dieweil es doch solche crimina seind, darin man
besondere leibesstrafen uben muss.
Von der eltern bewilligung.
Nach dem das ernstlich gebot gotes „Du solt
vater und mutter ehren“ alle kinder ihren eltern
vatern und muttern unterworfen hat, und die
kinder nicht ihr selb herren seind, sondern seind
in ihrer eltern gewalt, die sie durch gotliche hulf
erzeuget, und mit herzlicher lieb und unaussprech-
licher sorg und arbeit aufbracht haben, darumb
sie auch den eltern aus gotlichem bevehl gehor-
sam schuldig sind, darzu auch der eltern ampt ist,
das sie vor die ihren sorgen, das sie nicht in
unchristliche oder sunst unbekueme heirat gerathen,
welches die eltern nicht thun konnen, wenn die
kinder den gehorsam verachten, so gebieten wir
ernstlich zuerhaltung gotlicher gebot, das sich kein
junger gesell, auch keine jungfrau ohne wissen
und ohne bewilligung ihrer eltern mit jemand
verloben soll, in betrachtung, das beide personen
sehr unrecht thuen, die kinder selb, so sich ohne
wissen und willen ihrer eltern verendern, ent-
wenden ihnen ihren billichen gehorsam, er-
erbietung und gerechtigkeit, die inen geburet,
und die andere person raubet ein frembd kind,
welches alles den eltern aus vielen wichtigen ur-
sachen grosse betrubnus bringet, darumb wir auch
alle solche verlobnuss, die ohne wissen und ohne
bewilligung der eltern gescheen, als nichtig und
uncreftig sprechen, bis zu freundlicher bewilligung
der eltern, oder bis zu erkentnuss, der von uns

x) Schleusner: trennung.
2) Mutlier und Schleusner: zerrung.
 
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