Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0374
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
346

Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

beschlafen sei, oder so man solches befindet, dass er
sie hernach berürt hat, soll sie nicht scheiden, denn
er hat nach diesem wissen in sie gewilligt und kann
errorem nicht allegiren. Die andere vorsichtigkeit, dass
man das weib heimlich frage, ob der thäter nach dem
verlöbniss sie auch berürt habe und so dies geschehen,
so kann der mann ledig gesprochen werden in casu
adulterii und ist das richterlich gewissen sicher. Zum
vierten. Wenn der mann nach allen diesen prozessen
darauf beharrt und entlich begert, man soll ihn ledig
sprechen und hat das weib nicht berürt nach der zeit
do er innen worden, dass sie zuvor von einem andern
beschlafen gewesen, soll ihn der richter im namen
gottes ledig sprechen aus diesem grunde. Wie wol die
bürgerlichen gesetze im Moise uns nicht binden, so
siehet man dennoch darin, was got zulässt oder nicht
zulässt, und ist die christliche obrikeit in ihrem ge-
wissen sicher, dass sie nicht wider gottes willen handelt,
so sie etwas ex autoritate zulässt, das in Moise zu-
gelassen ist. Nu ist offentlich ausgedrückt in Deut,
cap. 22, dass man nicht allein den mann ledig sprechen
soll, sondern auch das weib tödten soll. Aus diesem

grunde ist die obrikeit sicher, so sie den mann los-
spricht, denn in vilen gesetzen in Moise ist zu ver-
stehen, dass gott ernstlich zürne ob confusionem semi-
num. Deus est castus spiritus, et vult intelligi
cestitatem et ordinem a se ordinatum et irascitur semi-
num confusionem. Es möchten auch viel probabilia de
errore hier herangezogen werden, aber dieses exempel
in Moise ist stärker und tröstet des richter gewissen,
und mag also der richter solchen man ledig sprechen
und soll in dabei erinnern, dass solch ledig sprechen
seinem gewissen zu gut geschehe. Darum soll er also
leben, dass er got in gutem gewissen anrufen könne,
und soll ihm hiermit erlaubt sein, wiederumb ehrlich
und christlich zu freien. Das weib aber soll gestraft
werden, denn sie hat viel sünde, erstlich da sie unzucht
getrieben wider gott und hat hernach diesen mann be-
trogen und betrübt, zu dem ist das ergernus auch sund.
Darum soll die weltliche oberkeit sie in dieser Stadt
oder ampt nicht dulden, do der man seine wohnung
hat. Wie aber dem weib hernach zu raten, davon soll
sie rats haben bei dem pastor in irer kirchen, do sie
wohnet.

35. Instruktion welchergestalt in des durchlauchtigsten hochgebornen fürsten und herren, herrn Augusti, herzogen
zu Sachsen, des heiligen römischen reichs erzmarschaln und churfursten, landgraven in Döringen, marggraven
zu Meissen und burggraven zu Magdeburg 1), und desselben schutzvorwandten landen und gebieten, järlichen
christliche visitation der kirchen und schulen gehalten werden soll. Vom 24. Juni 1577.
[Nach Dresden, H.St.A., Loc. 10 600, Visitations-Instruktion 1577. Die Abweichungen der für das Ernestinische
Sachsen angepassten Ausgabe werden unter E. annotirt. Vgl. oben S. 120.]

Von gottes gnaden wir Augustus , herzog zu
Sachsen, des heiligen römischen reichs erzmarschal
und churfurst, landgrave in Döringen, marggrave
zu Meissen und burggrave zu Magdeburg 2), ent-
bieten allen und jeden unseren 3) prelaten, graven,
herrn, denen von der ritterschaft, ober haupt und
amptleuten, vorwaltern, schössern, vorstehern,
burgermeistern, richtern und rethen der stedte,
schultheissen und in gemein allen und jeden unsern
underthanen und vorwandten geistliches und welt-
liches standes, auch denen so sich unsers Schutzes
gebrauchen, unseren grus, gnade und geneigten
"willen, und fugen ihnen hiemit zu wissen. Ob
wir wol von der zeit an, do gott der almechtigte
uns zum regenten dieser lande verordenet, nicht

') Die für das Ernestinische Sachsen bestimmte
Ausgabe (vgl. oben S. 74. 120) [in der Folge citirt
mit E], liest hinter Magdeburg: „Auch iix s. kurf. g.
geliebten jungen vettern, der auch durchlauchtigen und
hochgebornen fürsten und herren, der herzogen zu
Sachsen etc. des weimarischen und coburgischen theils,
und ihrer chur und f. g. allerseits schutzverwandten
landen und gebieten, järlichen christliche visitation
der kirchen und schuelen, gehalten werden soll.
MDLXXVII. Anno 1577. 22. novembris Vimariae pastori-
bus commendata per D. D. Jacobum Andreae.
2) E hat hier einen Zusatz: für uns, und in vor’-
mundschaft unser geliebten jungen vettern, der herzogen
zu Sachsen, etc. des weimarischen und koburgischen
theils.
3) E hat einen Zusatz: und ihrer liebden.

weniger , als unser geliebter herr vater und vor-
fahren , seliger und hochlöblicher gedechtixus ge-
than, mit allem fürstlichem ernst und treuer
sorgfeltigkeit dahin gearbeitet, das gott zu lohe,
uns und unseren underthanen zu wolfart, die reine
rechtschaffene lehre göttliches wortes, wie die aus
gottes besonderen gnaden, durch doctor Luthern,
aus dem finsternus des babstthumbs, wieder an
das licht gebracht und in die augspurgische con-
fession vorfasset ist worden, erhalten und auf die
nachkommen gebracht werden möchte, der gewissen
hofnung, es wurden auch die, welchen kirchen
und schulen vortraut gewesen, ihrem beruf und
ampt getreulich nachsetzen, alle ihre gedanken,
rath und anschlege zum friede der kirchen an-
wenden und gebrauchen,
so haben wir doch nicht mit geringer be-
trubung unseres gemuts, eine zeit hero erfahren,
wie manigfeltige geferliche missvorstende der
schriften, trennung und spaltung der religion sich
zwischen etzlichen dienern des worts, in und
ausserhalbe unserer 1) lande zugetragen, zu-
deme das auch der satan nicht gefeiret, irrige
falsche lehre seines bösen vorgiften samens von
dem hochwirdigem sacrament des altars und gött-
licher maiestet unsers herren Christi, unserm
christlichem glauben zuwider, under die reine

*) E hat einen Zusatz: und unserer jungen vettern.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften