Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0376
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
348

Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

haben auf das sie mit warheit von den lesteren [
nicht getadelt werden, sondern ihr ampt in der
visitation und sonsten desto ansehenlicher furen
und mit grossen nutz der kirchen vorrichten
mögen.
Mit 1) dieser zuordenung aber der adiuncten
sol der superintendenten ampt und autoritet
nichtes entzogen noch benomen sein, sondern es
sollen die adiuncti ihrem superintendenten mit
schuldigem gehorsam wie zuvor zugethan und
underworfen sein und bleiben.
Diese unsere superintendenten und ihre ad-
iuncti sollen ein jeder die pfarren und kirchen
so viel ihme deren zugetheilet und in seinem be-
cirk begriffen seind sampt derselben kirchen,
schuldienern und eingepfarten zum wenigsten des
jhares zwei mal, nemlich ein mal zwischen Mi-
chaelis und Martini das ander mal aber zwischen
ostern und pfingsten visitiren* 2).
Und ob ein superintendens oder adiunctus
neu vorordenet wurde, der zuvor des ortes nicht
visitirt bette, der soll sich vor angehender visi-
tation mit seinem patent, das wir under unserem
secret und handzeichen ihme vorfertigen und zu-
stellen lassen, bei jedes ortes obrigkeit 3) auch
unseren in seinem kreis gesessenen heupt und
amptleuten, vorwaltern, schössern, burgermeistern,
richtern und raten der stedte nach gelegenheit
eines jeden orts angeben, damit er sich, ob ihme
einiger mangel oder vorhinderung an deme ihm
befholenem ampt begegnet, seines patents zu ge-
brauchen und ihrer hulfe, beistands und förderung
desto mehr zu getrosten, sie sich auch Unwissen-
heit halben nicht zu entschuldigen haben.
Es 4) soll auch diese visitation jedesmal in
den stedten, dorinnen superintendenten sein, an-
gefangen und solches dem amptman, befehlhaber
oder des ortes obrigkeit zu rechter zeit zu wissen
gethan werden, damit ein jeder sich seihest an-
heimes enthalten, die notwendigen personen zur
’hand haben und den amptsassen vom adel, auch
den stedten, richtern, schultessen und gemeinden
der dörfer, in jedes ampts gehörig, zu geburlicher
zeit die visitation vormeldet werden könne.
Den andern aber, so auf unserer canzelei
schrift sitzen und den amptern nicht underworfen
seind, soll der visitator selbst die zeit, wan eines
jeden pfarre visitirt werden soll, der gebure nach
abzuwarten ankundigen und sie sich schuldiges
gehorsams darauf vorhalten.
*) E hat einen Randvermerk: Adiuncti sollen nicht
sui iuris sein.
2) E hat den Randvermerk: Wann und wie ofte
im jar zu visitiren.
3) E hat den Randvermerk: Adiuncti sollen sich
angeben, ehe sie visitiren.
4) Randvermerk bei E: Superintendenten sollen an-
fangen zu visitiren.

Damit aber auch die superintendenten und
adiuncti sich ihres obliegenden visitation amptes
allein in rechtem christlichem eifer ohne einigen
affect gebrauchen, niemand geistliches oder welt-
liches standes aus sonderbarem eigenem neid oder
hass angeben, oder aus gunst und freundschaft
einiges kirchen oder schuldieners, auch der zu-
hörer und eingepfarreten strafbare gebrechen vor-
setziglich nicht underschlagen, unterdrücken, be-
schönen oder ganz vorschweigen x),
so sollen sie zuvor deshalben ernstlich vor-
mahnet und erinnert, mit zusage und pflicht an
eides stadt eingenomen, auch do wir oder unsere
darzu vorordnete es notwendig achten, mit leib-
lichem eide belegt werden, das sie der super-
intendenz, inspection, visitation und obliegenden
amptes in der furcht gottes mit allem treuem fleiss
pflegen und unangesehen einiges menschen freund
oder feindschaft hindan gesetzt, aller affect, christ-
lich, wie sie solches am jüngsten tage vor antworten
sollen und mussen, bei vormeidung unserer schweren
straf und ungnade, standhaftig, strack und ernst-
haftig brauchen und furen wollen.
Vo1gen die articul, darauf die super-
intendenten und ihre adiuncti die visi-
tation richten sollen.
1. Erstlich sol der superintendens oder ad-
iunctus bei einen jeden ihme zugethanen pfar-
hern, prediger, capellan desselben ortes bekentnus
der lehre, besonders aber in den vornembsten
streitigen articuln von ihme fordern, auch fleissig
nachforschen, ob er unsers heiligen christlichen
glaubens vornembste articul vormöge prophetischer
und apostolischer schrift, augspurgischer confession
und nach inhalt der algemeinen lauteren endlichen
wiederholung und erclerung der streitigen articul
anno etc. sieben und siebenzig zu Torgau ein-
hellig und christlich vorglichen, auch wie die durch
doctor Lutherum seliger wieder an das licht ge-
bracht, vor sich selbst halte und gleube, auch
seiner befholenen kirchen vortrage und lehre.
Es 2) soll sich auch der visitator nicht mit
blossem ja abweisen lassen, sondern von einem
jeden pfarhern und seelsorgern den grund seines
glaubens erkunden und so lange anhalten, bis er
seiner lehre gewiss, das sie reine und der pfar-
her oder kirchendiener dieselbe mit genugsamen
zeugnus und grunde göttlicher schrift bewereu
und vortreten könne.
Damit auch durch ein solch examen das ganze
werk der visitation nicht verzogen, noch die

x) Randvermerk bei E: Sollen nichts verschweigen.
2) Randvermerk bei E: Soll von der lehr censur
nicht leichtlich ablassen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften