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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0466
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438

Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

keit, auf das ein jeder sein ende und wie un-
gewiss dasselbige sei, bedenke, und sein leben in
bussfertigkeit zurichten und sich zum tode bereit
und geschickt zumachen, hierdurch vermanet werde.
Den leichen sol allein an denen orten, da sie ver-
storben, und nicht anderswo geleutet werden, aus
ursachen, das solches ein aberglaube, superstition,
und seinen ursprung von dem erdichten fegefeuer
bekommen.
Es sol auch die leiche mit einem tuch ehr-
lich bedeckt, und mit dem pfarrner und glöckner,
diaconis und schulmeister, einem oder mehr, nach
andacht und vermögen eines jedem, sampt den
schülern, da die verhanden und mit christlichen
gesengen, dadurch die menschen ihrer sterbligkeit
und des jüngsten gerichts, auch der frölichen auf-
erstehung von den todten und des künftigen
ewigen lebens erinnert, beleitet und zu der erden
bestattet werden.
Damit auch die beleitung der todten desto
christlicher geschehen möge, sollen auf den dörfern
etzliche personen von der freundschaft (sonderlich
wann ein altes verstorben) mit gehen und die
leiche zum grabe beleiten helfen, ausgeschlossen
wann die pestilenz regieret, alsdann sol solches in
eines jedem gefallen gestalt werden.
Auf das auch die kirchhöfe allenthalben und
sonderlich auf den dörfern, da sich pfarrer oder
glöckner dero darauf wachsenden- graserei ge-
meiniglich brauchen, ehrlich und rein, als ein
schlafhaus der christen, so am jüngsten tage von
Christo auferwecket und selig gemacht werden
sollen, gehalten, so sollen dieselben mit mauren,
blanken, zeunen und thüren verwaret und vorm
viehe allenthalben mit fleis vermacht werden.
So befindet sich auch eine grosse unordnung
bei den begrebnissen, wann die abgestorbenen,
besonders arme leute, zur erden bestetiget werden,
das oftermals nicht ein mensch, zu zeiten zwo
-oder drei personen, bei der leiche sein.
Derwegen den kirchendienern zu befehlen,
das sie mit besonderm ernst ihre pfarrkinder ver-
manen, weil solches nicht allein wider den glauben
und christliche liebe, das man die glieder des
leibes Christi also verechtlich halten und hinwerfen
solt, sondern auch wider die natur selbst, das sie
solches abschaffen, und jedes orts obrigkeit diese
anordnung thue, das die armen so wol als die
reichen ehrlich zur erden bestetigt werden.
Darzu denn auch die kirchendiener angehalten
werden sollen, das bei der begrebnis aller deren,
so sich des hochwirdigen sacraments gebrauchen,
eine kurze leichpredigt und erinnerung den armen
und unvermögenden umb sonst gethan, dadurch
sie erinnert, das sie auch allezumal sterblich und
sich alle stunden zu dem tode rüsten und bereiten
sollen.

Damit aber die kirchendiener an den orten,
da teglich leute zur erden bestetiget, mit vielem
predigen nit uber die gebür beschweret, sind
etzliche kurze predigten, erinnerungen und war-
nungen gestellt und der kirchen agenda einver-
leibet worden, so auf unterscheid der personen
gerichtet, wann ein junges oder alt mensch, weib
oder man in der ehe oder ausserhalb derselben
gelebt, das auch die vermanung und erinnerung
derselben person gemess gehalten; da aber be-
sondere personen leichpredigten begeren, sollen
die kirchendiener dieselbigen, wie bishero breuch-
lich gewesen, verrichten, und nicht abschlagen.
Weil auch durch die begrebnis die knaben
in den schulen uber das ganze jar viel von ihrem
studieren abgehalten und daran mit grossemnach-
teil und schaden des gemeinen nutzes verhindert
werden, soll in allen unsern stedten gleichheit ge-
halten, eine gewisse und gelegene zeit bestimpt
werden, zu welcher der tode zur erden christlich
bestetiget und die knaben an ihrem studieren,
soviel immer müglich und sein kan, hierdurch
nicht verhindert werden.
Dieweil auch grosse ungleicheit mit begrebnis
der ungetauften kinder, oder so in mutter leib
gelebt aber todt auf die welt kommen, gehalten,
das etliche pfarrer dieselbigen nicht mit den
schülern, wie die getauften kinder, zum begrebnis
beleiten, etliche auch nicht an die ort begraben
wollen, da andere christen begraben sein, dadurch
den christlichen eltern nicht allein gros betrübnis
gemacht, sondern oftermals die mütter, als der
schwechste werkzeug, in grosse anfechtung geraten,
und aber der christen seligkeit nicht also an
die heilige taufe gebunden, wann die christliche
mutter an den kindern nichts versäumt, noch an
derselbigen unzeitigen tod schüldig ist, sie aber
durch das gebete dem allmechtigen, vermöge seiner
verheissung, befohlen, da er gesagt, ich bin dein
gott und deines samens nach dir, das sie darumb
verdampt werden solten, wie dann ohne zweifel
viel kindlein im alten testament vor dem achten
tage gestorben, die nicht beschnidten und gleich-
wol ungezweifelt selig worden sind, der ursach
denn auch an solcher kinder seligkeit, die also
durch das glaubig gebete gott befohlen, nicht zu-
zweifeln, so sollen hinfüro die pfarrer und kirchen-
diener solche kinder nicht weniger als die andern,
mit christlichen ceremonien, nach jedes orts ge-
brauch, zur begrebnis beleiten und bei andern
christen zur erden bestettigen.
Nach dem auch bericht einkommen, das zur
zeit der regierenden pestilenz sich hin und wieder
ganz beschwerliche und erschreckliche felle zu-
tragen, das denen, so diese krankheit angestossen,
kein rat noch hülfe geschaffet, sondern sie wider
den glauben und christliche liebe verlassen werden,
 
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